TODESSAAT
stürzte. Zu erschöpft und entkräftet, um die Verwandlung in ein Luftgeschöpf zu vollbringen, blieb ihm nichts, als die Zähne zusammenzubeißen und darauf zu warten, dass die Schwerkraft ihr Schlimmstes bewirkte. Auf dem Weg in die Tiefe schlug er mehrmals gegen Eissimse und erlitt doch keine ernsthafte Verletzung – bis er schließlich ganz unten schmetternd auf Schulter und Brust aufkam ... im Schnee! In gnadenvollem Schnee!
Durch eines der gewölbten Eisfenster musste er hereingetrieben sein; die Verwehung, obgleich mit einer dicken Eiskruste überzogen, mochte gut und gern einen Meter zwanzig tief sein. Shaithis krachte hinein, hörte das Knirschen und Knacken des Eises, spürte, wie der Schnee unter seinem Gewicht zusammengedrückt wurde, verrenkte sich die rechte Schulter – und erst kürzlich verheilte Rippen zersplitterten erneut. Dann lag er still in seiner Pein und verfluchte Fess Ferenc aus den tiefsten Tiefen seines schwarzen Herzens!
Meinetwegen verflucht mich, ganz wie’s Euch beliebt, Shaithis. Der Ferenc hatte ihn gehört. Doch ich bezweifle nicht, dass Ihr Euch eines Besseren besinnt. Natürlich werdet Ihr das, denn es hieß: Ihr oder Euer Flügler. Volse hätte zweifellos Euch gewählt, denn es lebt ein Vampir in Euch! Ah, die Essenz an sich! Doch ich persönlich halte es für besser, wenn Ihr lebt. Zumindest noch eine kleine Weile.
Shaithis erhob sich, wankte von dannen und hielt Ausschau nach einem Ort, an dem er sich verstecken konnte. Er gestattete dem Schmerz, über ihn hinwegzuwogen; wohl überlegt beschwor er zudem noch die Todesqualen des Absturzes auf Starside herauf, durch den ihm Körper und Gesicht zerschmettert worden waren, und jene des Kampfes mit den Bären. Sie alle fügte er der Pein des Aufpralls hinzu. Und so ließ er den falschen Eindruck, ernsthaft verletzt zu sein, aus sich herausströmen, damit die Vampirsinne der anderen ihn aufschnappten. Volse mochte dies gewiss dankbar zur Kenntnis nehmen – falls er es überhaupt wahrnahm, was Shaithis bezweifelte. Der Eiterfreund war fast so stumpfsinnig wie ein Hybride und viel zu sehr darauf versessen, seine Abszesse und Beulen zu erzeugen.
Was? Der Ferenc schien überrascht, indes auch gleichgültig. So viel Schmerz? Seid Ihr mit dem Gesicht zuerst gelandet, Shaithis? Dem ließ er ein bitteres mentales Glucksen folgen. Nun, jetzt wisst Ihr, wie ich mich die ganze Zeit gefühlt habe, denn der Anblick Eures Gesichts wusste mir stets Schmerzen ohne Ende zuzufügen!
Shaithis vermochte sich nicht zu zügeln: Aye, lacht lang und laut, Fess Ferenc! Aber denkt dran: Wer zuletzt lacht ...
Ferencs Gekicher verstummte, und Shaithis hörte ihn sagen: Also doch nicht allzu ernstlich verletzt, was? Ein Jammer. Oder vielleicht doch nur heldenhaftes Getue, um das Gesicht zu wahren? Wie auch immer, eine Warnung halte ich für angemessen: Kommt mir nicht in die Quere, Shaithis. Wenn Ihr auch nur daran denkt, Euren Flügler zur Flucht anzuspornen – vergesst es. Denn wenn wir ihn nicht aufspüren, dann, seid versichert, werden wir um Euretwillen zurückkommen. Befehlt der Kreatur, uns anzugreifen, am Ende werden wir doch triumphieren. Denn wie Ihr wohl wisst, geben Flügler armselige Krieger ab, und unsere Gedanken werden ihn wie Pfeile durchbohren. Und dann werden wir um Euretwillen zurückkommen! – Lasst also alles seiner Wege gehen und erhebt keinen Protest ... und Ihr werdet ein wenig Zeit gewinnen. Denn letzten Endes werdet auch Ihr wissen, wohin Ihr Euch zu wenden habt, wenn Euch der Hunger plagt. Und solange Euer Geschöpf vorhält – vorausgesetzt, wir sind nicht in der Nähe, wenn Ihr zur Nahrungsstätte kommt ... exakt so lange soll auch Euer Leben andauern, Shaithis von den Wamphyri.
Im Labyrinth der Eisburg fand Shaithis einen tiefen, schützenden Spalt und verkroch sich darin. Er hüllte sich in seinen Mantel und dämpfte seine pulsierende vampirische Aura, so gut es ging. Nun musste er sich Zeit nehmen, bis er wiederhergestellt war. Vielleicht würde er schlafen und so seine Energien bewahren. Und wenn er erwachte, konnte er gewiss sein, ein letztes, kleineres Bärenherz vorzufinden. Wenn er seine Gedanken nur gut genug abschirmte und seine Träume ebenfalls, würden Volse Pinescu und Fess Ferenc ihn nicht finden.
Doch zuerst galt es noch etwas in Erfahrung zu bringen. Warum, Fess?, sandte er eine letzte telepathische Frage aus. Es wäre Euch ein Leichtes gewesen, mich zu töten, doch Ihr habt mich leben lassen. Und
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