TODESSAAT
Hefeteig gedehnt worden war und der schreckliche Kampfhandschuh die verbleibende Distanz in einem Schneckentempo zu überwinden hatte, das ihn verrückt machte. Der Vater des Bewohners sah den Hieb kommen und wandte ihm langsam, ganz langsam die sonderbar traurigen, brennenden Augen zu. Die Scharlachaugen seines Sohnes, des Wechselbalg-Wolfes, waren ebenfalls auf Shaithis gerichtet. Die geifernde Kreatur schwebte auf dem höchsten Punkt ihres Sprungs frei in der Luft.
Nach Art der Wamphyri drangen die Gedanken der beiden direkt in Shaithis’ tobsüchtigen, blutdurchtränkten Verstand; und nicht nur sie, auch das Finstere Ding tuschelte und wisperte auf ihn ein. Sie sagten alle dasselbe: Du hast uns alle in die Vernichtung getrieben mit deinem Ehrgeiz, deiner Leidenschaft, deinem Stolz!
Sterbt!, fauchte Shaithis, indem die ersten Klingen seines Handschuhs nach und nach in den Kopf des Höllenländers fuhren und dessen hellen Kern zerfleischten.
Ganz recht, hell! Strahlend, blendend hell und tödlich wie ein Schmelzofen, wie die Sonne selbst! Denn da war kein Blut, kein Knochen, kein graues, breiiges Gehirn im Schädel des Hexers – nichts außer goldenem Feuer. Das siedende, tobende Feuer der Sonne.
In der Tat war es die Sonne, die ihm nun in einem endlosen Aufglühen aus der vergleichsweise geringen Wunde des Höllenländers entgegenschlug und ihn umhüllte und wie alles andere ... vernichtete!
Shaithis ruckte hoch, spürte das Eis unter sich und meinte für einen Moment sengendes, goldenes Feuer zu sehen. Er schrie auf, und Tausende zarter Eisgewächse splitterten, zerbarsten und wirbelten in einem klirrenden Inferno von der fantastischen Decke der Eisburg herab. Kaum einen Lidschlag später hatte der Vampir erfasst, wo er sich befand, und sich erinnert, was er hier tat. Der Albtraum wich und die Wirklichkeit verfestigte sich wieder um ihn her, sodass sein Atem und das wilde Pochen seines Herzens allmählich zur Ruhe kamen. Dann ...
... spähte er über die gefrorene Weite der Eisburg und machte die dunklen Gestalten von Fess Ferenc und Arkis Leprasohn in ihren Nischen aus. Er sah, dass der Erstere ebenfalls wach war. Zugleich traf Ferencs Blick über das glitzernde Gewölbe hinweg den seinen.
»Wart Ihr am träumen, Shaithis?«, rief der Ferenc ihm zu, dass seine Worte sich in der bitterkalten, weithin tragenden Luft dieses Ortes hallend umherjagten. »Ein Omen vielleicht? Ihr habt geschrien, und mir wollte scheinen, Ihr hattet Angst.«
Shaithis fragte sich, ob der Traum sicher genug gewesen war wie sonst seine einwärts gerichteten Gedanken, oder ob Fess ihn hatte belauschen können. Er hasste die Vorstellung, ausspioniert zu werden, noch dazu im Unterbewussten, wo die Samen seines Ehrgeizes – in der Tat all seine Pläne – im Dunkeln ruhten und auf ihr Keimen warteten. »Ein Omen?«, antwortete er schließlich, jedoch bedächtig, und tarnte so den noch immer nachklingenden Aufruhr. »Nein, ich glaube nicht. Keine ominösen Andeutungen, Fess. Nur ein angenehmer Traum, das ist alles, von Weiberfleisch und süßem Traveller-Blut.« Von der Lady Karen, und wie ihr Leib auf meiner Liegestatt verrottet, und davon, wie das gesamte Wamphyri-Geschlecht ausgelöscht wird von einer Sonneneruption aus einem fremdartigen Verstand!
»Huh!«, grunzte der andere. »Mir träumte nur von Eis! Mir träumte, ich sei in einem Eis-Schrein eingeschlossen, und von draußen machte sich ein unheimliches Ding mit Feuerkrallen daran zu schaffen, und das Eis begann bereits zu schmelzen ...«
»Dann war es ja wohl gut, dass ich vor Lust geschrien und Euch damit aufgeweckt habe!«, stellte Shaithis fest.
»Aye, trotzdem ist es noch zu früh«, brummte der Ferenc. »Schaut Euch nur den Sohn des Aussätzigen an, der schläft noch. Darin ist er schlauer als wir. Lassen wir also ebenfalls noch ein paar Stunden verstreichen, ehe wir uns erheben und weiterziehen.«
Dem stimmte Shaithis zu. Dankbar, dass der Riese nicht in seinen Gedanken umhergeschnüffelt hatte, ließ auch er sich wieder nieder und schloss ein Auge ...
Abermals sank er in einen tiefen Traum. Nur dass er diesmal noch eher als beim letzten genau wusste, dass es mehr war als ein gewöhnlicher Traum. Darin begegnete er jenem Wesen, das als Shaitan der Gefallene bekannt war. In ihm erkannte er sofort das Finstere Ding, jenen düsteren, sorgenvollen Vertrauten – vielleicht gar sein anderes Ich – aus dem Albtraum von seiner durchkreuzten Rache.
Er wusste, dass das
Weitere Kostenlose Bücher