TODESSAAT
Schnelligkeit und ungezügelten Kraft des Monstrums, wichen zurück – umso schneller, als der große Wolf sich auf alle viere niederließ und dem Nächststehenden entgegenschnellte. Unter malmenden Kiefern zerbarst knirschend ein menschlicher Kopf.
Dem Vampir-Lord wurde auf seiner Liegestatt nur allzu deutlich bewusst, dass das Glück sich wieder gewendet hatte und in eine andere, noch nicht absehbare Richtung umschwang. Nichtsdestotrotz entschied er, dass er zumindest etwas von seinem Traum haben wollte. Mit einem Arm umklammerte er Karen, während er mit der freien Hand nach dem goldenen Strohhalm tastete und sich bereitmachte, ihn endgültig ins Ziel zu stoßen.
Kaum, dass er das Mundstück berührte ... riss er die Hand bebend zurück! Denn eine zweite Verwandlung vollzog sich nun mit Karen, und diese verlief kaum weniger schnell und furchteinflößend als jene des Bewohners in einen Wolf. Dafür war sie um einiges abscheulicher!
Als habe Shaithis’ Trinkhalm sie vergiftet und einen unglaublichen Alterungsprozess in Gang gesetzt, zerfiel Karen vor den Augen des Vampir-Meisters! Ihre Arme verwandelten sich in gelb geäderte Stöcke, von denen die Armbänder klirrend zu Boden fielen; die Scharlachaugen sanken krankhaft tief in ihre Höhlen, bis sie unter den verfilzten Wimpern kaum mehr vorhanden waren; ihre Haut legte sich in Falten und wurde runzliger als Dörrobst.
»Was?«, krächzte er, als ihre verheerten Lippen sich zum Zerrbild eines Lächelns öffneten und ihm die weißliche, gespaltene Zunge, das verkümmerte Zahnfleisch und die lockeren, faulenden Zähne offenbarten. »Was?« Eigentlich war es keine Frage, doch sie antwortete ihm trotzdem. Ihre Stimme war ein widernatürliches Gackern, während sie mit ihren Mumienklauen nach seiner schrumpfenden Männlichkeit griff: »Nun, mein Lord! Ich bin bereit für dich!«
Wie ein Wahnsinniger schlug Shaithis mit der flachen Hand auf das Mundstück des Strohhalms und trieb es ihr tief in den Leib – doch nichts als ein gurgelnder Strom stinkenden Eiters spritzte ihm daraus entgegen und blieb an seinem schaudernden Fleisch haften! Mit einem unverständlichen Aufschrei taumelte er auf die Füße, deutete auf das sich auflösende, verflüssigende Ding auf der Liegestatt und befahl: »Vernichtet es! Entfernt es – weg damit, auf der Stelle! In die Abfallgrube!« Doch niemand schien auf ihn zu hören. Shaithis’ Statthalter, seine Leutnants und Sklaven liefen blindlings durcheinander. Der Herr des Gartens wütete mit seinen Wolfsklauen unter ihnen wie ein Fuchs im Hühnerstall; und was seinen Vater aus den Höllenlanden betraf, mochte der Vampir-Fürst kaum seinen Augen trauen!
Die beiden ungeschlachten Wamphyri-Aspiranten, die diesen kleinen, unscheinbaren Menschen hergeschleift hatten, lagen ihm nun als schwelende Häufchen, aus denen Blut über die Steinplatten des Bodens sickerte, zu Füßen. Und der Hexer (oh ja, das konnte nur Hexerei sein!), der sie eingeäschert hatte, stand am Fenster und ließ seinen vernichtenden Blick über Starsides nächtlichen Himmel und die von Trümmern gezeichnete Ebene schweifen. Sein Blick war tödlich, denn wohin er auch fiel, loderte es auf, und noch mehr Verwüstungen waren das Ergebnis. Über den gesamten Himmel explodierten in der sich vertiefenden Düsternis von Sonnunter Shaithis’ neue Wamphyri-Horden. Ihre Überreste stürzten in brennenden Fetzen auf die zerschmetterten Felsentürme ihrer Vorfahren hinab.
Shaithis brüllte vor Wut und Enttäuschung und fand sich im nächsten Moment angekleidet wieder, den Kampfhandschuh an der Hüfte. Er wusste, was zu tun war. Ihm war klar, dass er als Einziger dem Herrn des Gartens und seinem Vater gewachsen war. Hastig fuhr seine Rechte in den Handschuh, und ganz wie es der Tradition der alten Wamphyri entsprach, stürzte er sich auf seine Feinde, um sie niederzustrecken. Warum auch nicht? Schließlich bestanden sie ja auch nur aus Fleisch und Blut, nicht anders als die mächtigen weißen Bären der Eislande. Und alles Fleisch ist schwach, wie der Vampir-Lord nur zu gut wusste. Selbst Wamphyri-Fleisch, unter den richtigen Umständen.
Das Finstere Ding hörte die sich überstürzenden, bluttriefenden Gedanken des Vampirs und wisperte: Elender Narr! – Aber Shaithis hörte nicht zu.
Er kam über den Höllenländer und schwang den Kampfhandschuh – der mitten in der Luft gefror, als sei die Zeit selbst stehen geblieben. Doch dann begriff Shaithis, dass die Zeit einfach wie
Weitere Kostenlose Bücher