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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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und greifbarer geworden, als missfalle ihr die Störung.
    »Hallo!«, rief Brynjar erneut und überlegte, wie oft er das noch wiederholen musste, um seine Pflicht zu erfüllen.
    Keine Antwort. Er trat ein paar Schritte zurück, um einen besseren Blickwinkel zu haben, und ließ den Schein der Taschenlampe noch einmal am Schiff entlanggleiten. Die Schatten hüpften in einem bizarren Tanz über den weißgestrichenen Stahl. Brynjar versuchte, das Wasser neben dem Schiff abzuleuchten, falls der ungebetene Gast über Bord gefallen war, sah aber nichts Besonderes. Eine rote Coladose schwamm behäbig auf der Wasseroberfläche, ansonsten wirkte das Meer wie frisch gestaubsaugt. Als er den Lichtstrahl ein Stück weiterwandern ließ, sah er einen weißen Nebelschleier übers Meer ins Hafenbecken ziehen. Der Nebel war nicht besonders dicht und lag nur etwa einen Meter über dem Meeresspiegel. Das war zwar an dieser Stelle nicht üblich, aber er hatte am Hafen schon öfter Nebel erlebt, ohne sich besonders darum zu kümmern. Doch jetzt sah die Sache anders aus. Er wollte nicht hier sein, neben diesem berüchtigten Schiff, falls der Nebel dichter wurde und man die eigene Hand nicht mehr vor Augen erkennen konnte. Außerdem hatte er genug getan.
    Mit energischen Schritten ging er zurück zum Wächterhäuschen und drehte sich nicht um, als er meinte, von der menschenleeren Yacht ein Flüstern zu hören. Er verstand kein Wort, war sich aber ziemlich sicher, dass es zwei Stimmen waren, die einander ähnelten. Beide klangen wie Frauen- oder eher wie Kinderstimmen. Zwei Kinder. Zwillinge. Plötzlich wurde sein Mund ganz trocken, und die Taschenlampe in seiner Hand war unglaublich schwer. Er blieb stehen und lauschte, obwohl sein Verstand ihm befahl weiterzugehen. Diesmal hörte er nichts, was seine Angst keineswegs verringerte. Er hatte keine Ahnung, wovor er sich fürchtete – bis jetzt hatten Kinder keine großen Gefühle in ihm geweckt, jedenfalls keine Angst. Vielleicht war es das Bild in seinem Kopf von den toten Schwestern, die an Bord der Yacht herumspukten und vergeblich nach ihren Eltern oder einem Ausweg suchten. Bis in alle Ewigkeit an ein Schiff gefesselt, das ihnen jede Freude, jedes Glück und jede Zukunft genommen hatte. Brynjar ging weiter. Eins war jedenfalls klar: Das würde nicht in seinen Bericht eingehen. Sonst erklärten die Leute ihn endgültig für verrückt.
    Er beschleunigte seinen Schritt und schloss im Wächterhäuschen die Tür hinter sich ab, zum ersten Mal in seiner Zeit als Hafenwärter. Dann rief er die Polizei an und meldete einen möglichen Einbruch auf der Yacht, ohne die Stimmen auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Falls an Bord des Schiffs etwas nicht stimmte, sollte die Polizei es doch herausfinden.
    Es war wirklich an der Zeit, den Job zu wechseln.

11. Kapitel
    Der junge Mann am anderen Ende der Leitung wirkte abwesend und zerstreut. Er hieß Snævar Þórðarson und war der Einzige mit diesem Namen und der Berufsbezeichnung Schiffsmechaniker im Telefonregister. Fannar vom Auflösungsausschuss hatte Dóra den Namen des ausgefallenen Besatzungsmitglieds gesagt, als sie keine Idee mehr hatte, mit wem sie sonst noch über die Yacht reden konnte. Der Mann bestätigte sofort, dass er mit der Lady K nach Island fahren sollte und das Schiff ein bisschen kenne. Er konnte Dóras Fragen präzise beantworten, hatte aber nicht viel mit der Vorbereitung der Yacht für die Überfahrt zu tun gehabt. Dóra kam es erst merkwürdig vor, dass er sofort auf alles eine Antwort parat hatte, doch dann stellte sich heraus, dass er bereits dreimal von der Polizei verhört worden war.
    Doch je mehr Fragen sie stellte, desto ausweichender reagierte er, besonders, als es darum ging, warum Ægir für ihn eingesprungen war. Wer wollte schon gerne für das Verschwinden einer ganzen Familie verantwortlich sein? Zuerst versuchte Snævar, ungerührt und objektiv zu antworten, wurde aber plötzlich emotional.
    »Ich bin immer noch total geschockt. Ich bin ja eigentlich kein gefühlsduseliger Typ, aber als ich gesehen hab, wie die Yacht einfach so gegen die Landungsbrücke geknallt ist, da wusste ich, dass was nicht stimmt. Und ich hätte an Bord sein sollen! Nicht das Ehepaar mit den beiden Mädchen!«
    »Unfälle kündigen sich nun mal nicht an. Sie können sich nicht die Schuld daran geben. Das Leben ist voller Zufälle, und diesmal hatten Sie Glück und andere Pech«, sagte Dóra, obwohl sie wusste, dass ihre Worte nicht

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