Todesschlaf - Thriller
Einheimischen
hier hinterlassen hat. Über die Geschichten, die man überall zu hören bekommt.« Er grinste erneut und Timmie musste zugeben, dass er dabei sehr glaubhaft aussah. »Ich finde schon, dass es die eine oder andere Zeile wert ist, wenn man erlebt, wie Tankstellenangestellte oder Billardspieler in der Kneipe plötzlich Yeats oder Blake zitieren. Finden Sie das eigentlich nicht auch ziemlich unglaublich?«
Timmie starrte ihn einen Augenblick lang feindselig an und rieb sich dabei unbewusst das Brustbein. Das Letzte, was Sie jetzt gebrauchen konnte - so viel war ihr klar -, war ein Daniel Murphy, der auf der Suche nach Insiderinformationen in ihrem Leben herumschnüffelte. Also machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte los. »Öffentliche Fahrstühle sind hinter dieser Ecke da.«
Er ging neben ihr her. »Ich nehme an, Sie wollen mir nicht verraten, welchen Todesfall Sie vorhin gemeint haben, stimmt’s?«
Vor dem Personalaufzug angelangt drückte sie auf den Knopf.
»Gar keinen. Ich habe davon gesprochen, dass der Leichenbeschauer unfähig ist, aber das dürfen Sie nicht zitieren, weil ich sonst nämlich meinen Job verliere, und dann müssen Sie diesen wunderbaren alten Mann mit den Yeats-Zitaten bei sich zu Hause unterbringen, weil ich es mir nicht mehr leisten kann.«
»Aber wenn der Leichenbeschauer die gestiegenen Sterberaten hier so offensichtlich ignoriert, dann könnten Sie ihn aus dem Amt jagen.«
Schlagartig hatte Timmie vergessen, wohin sie wollte. Um ein Haar hätte sie sogar vergessen zu atmen.
Murphy beugte sich mit geweiteten Augen nach vorne. »Ich spreche von der Tatsache, dass die Sterberate in Puckett seit dem Einstieg der Price University bei Restcrest spürbar angestiegen ist«, sagte er. »Sie nicht?«
Die Fahrstuhltür glitt auf. Timmie war so sehr damit beschäftigt, Daniel Murphy anzustarren, dass sie es überhaupt nicht wahrnahm. »Tun Sie mir das nicht an«, flehte sie.
Er hätte um ein Haar einen lauten Pfiff ausgestoßen. »Sie haben es nicht gewusst, stimmt’s? Timmie, ich glaube, wir beide haben soeben komplett aneinander vorbeigeredet.«
Timmie drehte sich zur Wand und ignorierte ihn. Genau wie die Stille, die sich hinter ihr zusammenballte.
»Oh, mein Gott«, sagte er plötzlich und ehrlich erstaunt. »Sie glauben, dass William Mayfield ermordet worden ist, nicht wahr?«
Timmie hoffte, dass dieser drückende Schmerz in ihrer Brust nur das Anzeichen für einen Herzinfarkt war und nicht etwa eine heraufziehende Katastrophe ankündigte.
»Oh, hallo Timmie, was hast du denn vor?«
Es dauerte geschlagene fünf Sekunden, bis Timmie erkannte, dass Cindy auf ihrem Weg von Restcrest zurück in die Notaufnahme um die Ecke gekommen war und sich nun zögernd zu ihnen gesellte. Sie machte einen mutlosen und matten Eindruck, was darauf schließen ließ, dass Mr. Abotts Tod sie stark mitgenommen hatte. Timmie wusste, dass sie sich eigentlich dafür schämen müsste, aber für sie war Cindy in diesem Augenblick nichts weiter als eine Fluchtmöglichkeit.
»Will schnell nach meinem Dad sehen«, sagte Timmie. »Erinnerst du dich noch an Mr. Murphy?«
Cindy nickte, und ihr hochgestecktes Haar fiel ihr tief in die Stirn. »In Restcrest ist ein Bett frei geworden«, sagte sie mit ihrer - wie Timmie es nannte - »Johnny-Stimme«. »Ich habe meinen kleinen, alten Mann verloren, weißt du.«
Timmie nickte. »Ich bin froh, dass er oben bei seiner Familie bleiben konnte«, sagte sie und legte Cindy eine Hand auf den Arm. »Wir hätten ihn hier unten nur gequält.«
Cindy seufzte mit geschlossenen Augen. »Ich weiß. Er
war einfach so nett. Alex und Ellen sind beide noch vorbeigekommen und haben geholfen, aber es war gar nicht nötig. Ich hatte alles im Griff.«
Timmie musste unwillkürlich gezuckt haben, denn als Cindy die Augen wieder aufschlug, wirkte sie verletzt. »Manche Dinge kann ich wirklich gut«, verteidigte sie sich.
»Ich weiß, Cindy«, sagte Timmie entschuldigend. »Ich weiß … Hast du gewusst, dass Mr. Murphy an einer ganzen Serie über Restcrest schreibt? Du könntest ihm wahrscheinlich behilflich sein, wenn du ihm erzählst, was heute Abend geschehen ist. So etwas gehört schließlich genauso dazu wie alles andere auch.« Also gut, das war hinterlistig. Aber sie war verzweifelt. Und Cindy hatte es noch nie etwas ausgemacht, über sich selbst zu reden. »Vielleicht sogar jetzt gleich, solange alles noch ganz frisch ist.«
Cindy schüttelte tatsächlich den
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