Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
gut genug«, hat die Besitzerin geantwortet und sie gelobt, dass sie so früh mit dem Kauf der Wintersachen seien, denn dann bekomme man noch das Beste, hat die Dame hinzugefügt und die Jacke mit den mit Diamanten bestückten Fingern hübsch in Sternenpapier eingepackt. Anschließend haben sie Sushi gegessen, und Caroline hat es genossen, die Mutter für sich zu haben, mit ihr alleine zu sein.
Caroline weiß sehr wohl, dass ihre Eltern sie lieben, das sagen sie ihr oft, aber trotzdem sind sie fast nie zu Hause. Wie gut, dass wir Rocel haben, sagen sie, und vor Rocel war es Jocelyn und vor ihr Luisa, aber ganz das Gleiche ist es nicht. Caroline zieht sich die Kapuze eng um das Gesicht. Der Pelz kitzelt leicht in der Nase, sie hat Lust zu niesen.
Das Messingschild der Reitschule schaukelt im Wind hin und her, das Geräusch ist laut und knarrend, und eine einzelne Lampe mit einem kräftigen, gelben Schein dient als einzige Beleuchtung vor Ort. Die Lampe wirft Schatten über den verlassenen Hofplatz vor der Reithalle und den Ställen. Einen Augenblick bereut sie, dass sie darauf bestanden hat, alleine nach Hause zu fahren. Doch sie kann nicht anrufen und Rocel bitten, sie zu holen, sie hat ihr Handy vergessen. Caroline blickt schnell über den Hofplatz. Es ist nicht weit bis zum Bahnhof, sie kann die Abkürzung über den Parkplatz nehmen. Sie darf nicht zu spät kommen. Es sind nur zwei Stationen bis nach Charlottenlund, aber die Züge kommen nur alle zwanzig Minuten, und es ist nicht angenehm, allein auf dem Bahnhof zu stehen und zu warten. Sie läuft schneller und spürt den Hunger im Magen rumoren, sie hat ihr Schulbrot weggeworfen, es hat ihr nicht geschmeckt. Sie mag Rocel, aber belegte Brote sind nicht ihre Stärke. Das Roggenbrot war zerkrümelt, die Butter klumpig, und die Leberwurst war nicht richtig verstrichen, sondern lag wie ein in Scheiben geschnittener, unförmiger Klops mitten auf dem Brot. Hoffentlich sind ihre Eltern auch auf dem Heimweg. Sie liebt es, wenn sie zu dritt essen, das kommt so selten vor. Sie werden in der Küche sitzen, das ist so gemütlich, sehr viel schöner als in dem Esszimmer mit den großen Panoramafenstern zum Meer hin.
Caroline tritt auf den Parkplatz. Die Autos stehen verstreut im Dunkeln, und sie kann die Lichter des Bahnhofs Klampenborg ausmachen. Sie geht so schnell sie kann, der Geruch nach Pferd hängt noch immer in ihren Kleidern, und sie schickt einen Gedanken an Perle in ihrer Box. Sie sieht zu dem dunklen Himmel hoch, der mit mikroskopisch kleinen Sternen in hellem Gold gespickt ist. Der Wind bläst, doch sonst ist es still, ganz still, und Caroline fühlt sich mit einem Mal unsicher, ja, ängstlich, obwohl sie den Weg schon unzählige Male gegangen ist.
Plötzlich hört sie ein lautes, klirrendes Geräusch. Sie zuckt zusammen, bleibt mit klopfendem Herzen stehen und blickt sich erschrocken um. Zunächst sieht sie niemanden. Dann fällt ihr Blick auf eine leere Flasche, die über den dunklen, glatten Asphalt rollt, vorwärtsgetrieben vom Wind. Sie bleibt einige Sekunden stehen und ringt nach Atem. Gerade will sie weitergehen, als vor ihr eine Autotür knallt. Ein Augenpaar glüht im Dunkeln, und sie spürt zwei starke Arme nach ihr greifen. Caroline will schreien, das soll man doch, hat die Mutter gesagt, aber sie kann nicht. Der Schrei bleibt ihr im Hals stecken wie ein Kloß. Stattdessen tritt sie verzweifelt nach demjenigen, der sie mit einem kräftigen Ruck halb ins Auto zieht. Im Auto riecht es scharf, nach irgendetwas, was sie nicht kennt. Caroline tritt erneut, trifft, und der Griff um sie lockert sich. Sie fällt rückwärts aus der offenen Autotür, kommt mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt auf, dass es laut knirscht. Eine Reihe kräftiger Blitze tanzt vor ihren Augen, der Schmerz ist intensiv, doch sie kämpft sich auf die Beine, torkelt geblendet weiter.
Sie kommt nur ein paar Schritte weit. Sie wird von hinten festgehalten, und etwas Feuchtes und intensiv Riechendes wird ihr auf Nase und Mund gedrückt. Dann gleitet sie ins Dunkel, mit Perle als letztem Bild auf der Netzhaut.
—
»Es sieht Caroline gar nicht ähnlich, sich so zu verspäten. Wir haben sie unzählige Male angerufen, doch ihr Telefon ist ausgeschaltet.«
Asger Nørvang war blass und lief händeringend im Wohnzimmer seiner Villa in Charlottenlund auf und ab, wo Rebekka und Simonsen gerade eingetroffen waren. Es war zehn Uhr abends. Rebekka hatte auf dem Sofa gelegen und geschlafen, als der
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