Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
diensthabende Beamte vor einer halben Stunde angerufen und berichtet hatte, dass ein zehnjähriges Mädchen aus Charlottenlund als vermisst gemeldet worden sei. Reza war nicht ans Handy gegangen, weshalb Rebekka zusammen mit Simonsen aufgebrochen war, den sie in Ydre Østerbro aufgesammelt hatte. Jetzt waren sie bei Carolines Eltern, Asger und Regitze Nørvang, die mit ängstlichen Stimmen erzählten, dass ihre zehnjährige Tochter Caroline längst von der Reitschule in der Nähe des Bahnhofs Klampenborg hätte zu Hause sein sollen.
»Wir sind etwas beunruhigt. Es ist schließlich noch nicht so lange her, dass … dass das mit Sofie passiert ist, und obwohl der Täter hinter Schloss und Riegel sitzt, macht man sich doch seine Gedanken …«
Asger Nørvang schwieg und reichte Rebekka ein Farbfoto seiner Tochter. Rebekka war verblüfft über die Ähnlichkeit der beiden Mädchen. Gleichaltrig, schlank, mit langen, blonden Haaren, regelmäßigen Zügen und großen, blauen Augen – ein Typ, den es hierzulande natürlich oft gab, aber trotzdem. Sie atmete tief durch und brachte ein optimistisches Lächeln zustande.
»Wann haben Sie Ihre Tochter das letzte Mal gesehen?«
Asger Nørvang blickte fragend zu seiner Frau hinüber.
»Weißt du, wann das war, Regitze?«
Die schlanke, gepflegte Frau sah ihren Mann mit einem panischen Gesichtsausdruck an, ihr ganzer Körper war in Alarmbereitschaft. Es war offensichtlich, dass sie nach einer Zeit suchte, an die sie sich klammern konnte. Dann schüttelte sie resigniert den Kopf.
»Rocel hat sie heute Morgen geweckt und dafür gesorgt, dass sie in die Schule kommt. Ich hatte schon früh eine Besprechung und gehe gerne noch vorher ins Studio. Ich trainiere bei Welcome-Fitness im Tuborg Havnevej.«
»Wer ist Rocel?«, fragte Simonsen und Regitze Nørvang blickte zu ihm hoch.
»Rocel ist unser Au-pair-Mädchen. Sie kommt von den Philippinen, nun ja, das tun sie ja fast alle.«
»Wo ist diese Rocel?« Simonsen sah sich suchend in dem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer um.
»Ich denke, sie ist zu Hause. Vermutlich sitzt sie unten in ihrem Zimmer im Keller, da ist sie sehr gern, aber wir haben ja auch viel daraus gemacht. Wir können sie rufen. Machst du das, Asger? Nein, warte, ich gehe selbst.«
Regitze Nørvang stand von ihrem Stuhl auf und durchquerte mit schnellen Schritten die Diele. Einen Augenblick sahen sie ihr nach, dann richtete Asger Nørvang den Blick wieder auf Simonsen und Rebekka.
»Meine Frau ist gerne aktiv. Es ist nicht ihr Ding, mit den Händen im Schoß dazusitzen und zu warten, das macht sie verrückt, sagt sie. Sie ist den Weg von der Reitschule zum Bahnhof hin- und hergelaufen und hat auch an den Bahnhöfen Klampenborg, Ordrup und Charlottenlund nachgesehen. Wir haben den größten Teil von Carolines Klassenkameradinnen durchtelefoniert und die Klassenlehrerin angerufen. Und natürlich auch die anderen Mädchen aus dem Reitstall und Philipsen, den Bereiter. Leider ergebnislos.«
Asger Nørvang seufzte tief und ließ den Blick an Rebekka und Simonsen vorbei zu den Fenstern wandern. Schwarze Dunkelheit umgab das Haus. Draußen blies der Wind und ließ Rebekka leicht schaudern. Das war kein Wetter, um sich draußen aufzuhalten, schon gar nicht, wenn man ein Kind war.
»Ist Caroline schon früher einmal nicht nach Hause gekommen? Vielleicht sogar abgehauen?«
Ein kleines Lächeln huschte über Asger Nørvangs Gesicht. »Nein, nie. Caroline ist ein verantwortungsvolles und pflichtbewusstes Mädchen. Sie kümmert sich vorbildlich um ihre Dinge, um die Schule, ihr Tanzen und nicht zuletzt um ihr Pferd, Perle, und wenn sie sich hin und wieder einmal verspätet hat, dann hat sie immer angerufen. Immer.«
Seine Stimme zitterte leicht, verständlicherweise belastete ihn die Situation, nicht zuletzt weil es auf elf Uhr zuging.
»Haben Sie außer Caroline noch andere Kinder?«
Asger Nørvang schüttelte traurig den Kopf. »Leider nein. Das heißt – ich habe einen Sohn aus einer früheren Ehe, aber Regitze«, seine Stimme brach leicht, »Regitze hat keine anderen Kinder, und sie hat Adrian nie richtig als ihren Sohn angesehen.«
»Hier ist Rocel.«
Sie drehten sich um. Regitze Nørvang brachte eine junge, asiatisch aussehende Frau mit langem, schwarzem Haar ins Wohnzimmer. Rocel errötete und sah verlegen zu Boden, als sie ihnen vorgestellt wurde.
»Sie müssen Englisch mit Rocel reden. Sie ist erst seit einigen Monaten hier und kann noch nicht
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