Todessphaere
angesprochen. »Solange wir transpirieren, sollten wir dankbar sein. Der Schweiß reguliert unsere Hautkühlung. Falls die Temperatur allerdings noch steigen sollte – und davon gehe ich aus - wird der Schweiß auf unseren Körpern schneller verdunsten, als er wirken kann. Weißhäutige Menschen reflektieren Sonnenlicht weniger als Dunkelhäutige. Das bedeutet, wir müssen uns darum sorgen, nicht in der Sonne zu verbrennen, außerdem verlieren wir durch den Schweißverlust sehr viel Flüssigkeit. Wir müssen damit rechnen, bei diesen Temperaturen stündlich bis zu zwei Liter Wasser abzusondern. Jeder Liter sollte entsprechend wenigstens zu einem Viertel ausgeglichen werden. Wir benötigen pro Tag und Person mindestens vier bis fünf Liter Wasser. Das wäre der Idealfall. Verhalten wir uns klug, können wir es sicherlich zwei Tage ohne Wasser aushalten. Längstens!«
»Was bedeutet klug?«, wollte Gordon wissen.
»Keine körperlichen Anstrengungen, ruhen bei Tag, bewegen in der Nacht«, sagte Min.
»Wie viel Wasser haben wir?«, fragte Svea Andersson.
Dimitrij, der auf einer zerfetzten Liege lag, richtete sich auf. »Einhundert Liter. Ausreichend für eine Reise von zwölf Tagen für fünf Personen. Unter diesen Umständen Wasser für vier Tage, wenn wir rationieren, für sechs Tage.«
»Dann sind wir sowieso tot«, murmelte Leandro. »Unser Sauerstoff für die Masken ist morgen erschöpft.«
»Also genug Wasser, um zu arbeiten«, sagte Svea und ignorierte de Silvas Bemerkung.
Der Russe erhob sich. Er hatte Ringe unter den Augen. Niemand sprach über das, was sie soeben erlebt hatten. Sie standen unter Schock. Zu nahe war der sichere Tod gewesen, zu überraschend das Geschenk des Lebens. Als intelligente Menschen verdrängten sie diese Tatsache und konzentrierten sich auf das, was vor ihnen lag. Die Albträume würde man später verarbeiten, wenn es diese Zeit noch gab.
Zeit, die gegen sie spielte.
»Ich werde versuchen, die Rechner in Gang zu kriegen«, sagte de Silva. Sein Gesicht wirkte schmal und überschattete seine ansonsten jugendliche Ausstrahlung. »Ich vermisse die Stimme unseres Bordcomputers.«
»Und was ist, wenn die Würmer zurückkehren?«, fragte Min.
»Wir suchen alles zusammen, was man als Waffen benutzen kann«, sagte Dimitrij. »Stahlrohre, zerschnittenes Blech, alles. Wir umwickeln es mit Stoff, damit wir es benutzen können, ohne uns selbst daran zu verletzen.«
»Im Kadaver des Wurms, den du erlegt hast, stecken noch zwei Messer«, sagte Gordon.
»Also gut«, sagte Svea Andersson. »Fangen wir an. Schaffst du das, Dimitrij, oder willst du noch ruhen?«
Der Schiffsingenieur stand auf. »Freunde, ich bin fit und ausgeschlafen. Oder habt ihr etwas anderes erwartet?«
Kommandoentscheidung
Ich fühle Müdigkeit, Mattheit und einen übermächtigen Impuls, die Probleme einfach zu ignorieren und alles hinzuwerfen. Meine innere Stimme rät mir aufzugeben, sich irgendwo hinzusetzen, um einfach zu warten, bis der kostbare Sauerstoff endgültig versiegt ist. Doch da ist auch die andere Seite! Herzrasen, Schweißausbrüche, ausbleibendes Hungergefühl, zitternde Hände und ein merkwürdig abgeklärter und differenzierter Denkprozess ...
Svea Andersson massierte sich die Schläfen. Sie sah die Dinge, wie sie nun einmal waren. Im Angesicht des nahenden Todes war sie plötzlich in der Lage, ruhig und ohne Panik die Lage zu analysieren. Ist es der sinkende Sauerstoffgehalt im Schiff? Mein Verstand hat bereits kapituliert, aber mein Körper bäumt sich mit aller Macht gegen das Ende auf. Adrenalinausschüttung! Es ist das letzte Aufgebot meines Gehirns, um mich daran zu erinnern, im Kampf gegen das Schicksal nicht nachzulassen. Merkwürdig und erstaunlich, welche Reserven vor dem nahenden Ende noch einmal mobilisiert werden können.
»Du möchtest ... was tun? Könntest du das bitte noch einmal wiederholen?«, rief Min entsetzt aus und blickte alle übrigen Besatzungsmitglieder der Reihe nach an. Blinows andauerndes Gähnen war kein Ausdruck seiner Missgunst oder Langeweile, sondern ebenfalls auf ein spürbares Sauerstoffdefizit zurückzuführen.
»Ich sagte, ich will noch einmal hinausgehen und ein Stück weit vom Schiff entfernt einen erhöhten Aussichtspunkt aufsuchen«, wiederholte Andersson ihre Entscheidung.
»Und was genau soll diese lebensgefährliche Exkursion bezwecken?«, wollte de Silva ruhig wissen. »Möchtest du dich diesen hässlichen Sandwürmern als Hauptmahlzeit anbieten?
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