Todesspiel
Bewegung.
Trotzdem kam sie zu spät.
Ein Ruck ging durch den schmächtigen Körper Roger MacMillans. Das Headset verrutschte, während sich mitten auf der Stirn des Jungen eine daumendicke Einschusswunde öffnete. Ein zweites Projektil traf den Topspieler der American Lions in die Brust. Er zuckte zusammen und hing im nächsten Moment in verrenkter Haltung über der Lehne des Stuhls, auf dem er konzentriert und angespannt an der Spielrunde teilgenommen hatte.
Cotton riss seine Waffe hoch.
»Nicht schießen, Cotton!«, hörte er Deckers Stimme wie aus weiter Ferne. Sie hatte natürlich recht. Er konnte wegen der Scheinwerfer kaum etwas erkennen. Wie hätte er da gezielt und ohne Kollateralschäden feuern sollen?
Scheiße , dachte er, während er losspurtete. Er trat auf einen der Sitze, sprang über eine der Sitzreihen und erreichte den freien Mittelgang, über den es zu den höheren Rängen ging. Wieder tanzte der Laserstrahl durch die Luft und brach sich an den hauchdünnen Drähten, an denen die Deckenbeleuchtung hing.
Und dann streifte der verräterische rote Punkt plötzlich Cottons Waffenhand. Einen Sekundenbruchteil später stand er ziemlich genau dort, wo das Herz des G-Mans schlug.
Noch.
Cotton warf sich zu Boden.
Das Schussgeräusch folgte einen Moment später und war kaum zu hören. Die geräuschvollen Kampfhandlungen auf der Bildwand überdeckten es fast vollständig. Der Schuss ging haarscharf über Cotton hinweg. Der rollte sich ab und war schon nach zwei Sekunden wieder einsatzfähig auf den Beinen. Geduckt kauerte er sich hinter einer Reihe hochgeklappter Stühle, um wenigstens etwas Deckung zu haben. Ein weiteres Projektil kratzte an einer Stuhllehne und schlug nur zwei Handbreit von Cotton entfernt in den Boden ein.
Cotton schnellte empor, die Dienstwaffe in beiden Händen. Er sah eine schemenhafte Gestalt. Nicht mehr als ein Schatten. In den Händen trug sie ein Gewehr. Für einen Moment fiel das Licht eines Scheinwerfers darauf. Der Laserpointer für die Zielerfassung war offenbar noch immer aktiviert, denn der rote Punkt tanzte an der Decke, wirbelte dann tiefer.
Mündungsfeuer blitzte in der Schattenzone auf.
Cotton feuerte zurück. Drei Schüsse krachten aus seiner Dienstwaffe.
»Licht an!«, rief Decker dem konsternierten Timothy Braden zu, der wie eine Salzsäule dastand und nur sehr zögernd das Funkgerät hob.
Cotton kam aus der Deckung und sprintete eine Rampe hoch, die zu den obersten Zuschauerrängen führte. Unterdessen schaltete jemand an der Beleuchtung herum – offenbar auf Timothy Bradens Anweisung hin, der ununterbrochen in sein Funkgerät sprach.
Der Lichtschein erfasste jetzt den gesamten oberen Bereich.
Dort oben war niemand mehr.
*
Cotton hetzte durch einen Flur zu einem der Notausgänge der Eisenhower Hall. Vermutlich hatte der Täter diesen Weg genommen. Man brauchte sich nicht einmal auszukennen. Der Weg war hervorragend ausgeschildert.
Eine Tür, die halb offen stand, führte ins Freie.
Vor der Tür lag ein Security Guard am Boden, ein großer, kräftiger Mann. Er hatte die Hand an dem kurzläufigen Smith & Wesson vom Kaliber .38, der noch im Holster steckte. In der Herzgegend war sein hellblaues Hemd blutdurchtränkt, und seine Augen waren starr und tot.
Verdammt , fluchte Cotton lautlos in sich hinein.
Der Killer war bei seiner Flucht buchstäblich über Leichen gegangen. So viel Kaltblütigkeit und Rücksichtslosigkeit war bemerkenswert.
Draußen heulte ein Motor auf. Cotton stieg über den toten Wachmann, trat die Tür vollends zur Seite und stürmte mit der Waffe in der Hand ins Freie. Ein Crossover SUV mit getönten Scheiben brach aus einer Parklücke heraus. Der nur schemenhaft sichtbare Fahrer trat das Gaspedal voll durch und hielt auf Cotton zu.
Der G-Man riss die Waffe hoch und feuerte noch in der Bewegung. Sein Schuss wurde verrissen und zertrümmerte einen der Scheinwerfer. Bevor der Wagen Cotton erfasste, sprang er auf dessen Motorhaube, die glücklicherweise nicht mit einem Frontschutz ausgestattet war. Der SUV bremste. Cotton konnte sich nicht halten, fiel auf die Straße und rollte sich blitzschnell zur Seite. Der Wagen startete durch und hätte ihn schon im nächsten Augenblick überfahren. Über den Motorlärm hinweg war ein knackendes Geräusch zu hören. Die Dienstwaffe! Sie war Cotton aus der Hand geglitten und wurde von einem der Vorderreifen zermalmt.
Immer noch besser, als wäre es meine Hand gewesen , tröstete sich
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