Todesspiel
Apartment auf mich warteten, um mich aus dem Verkehr zu ziehen? Dieser Gedanke machte mich fast verrückt, und schließlich rief ich die alte Lady an, die unter mir wohnte – ebenfalls eine Malerin, sogar eine recht gute, die meine Katze versorgte, wenn ich abwesend war -, um ihr zu sagen, ich sei auf dem Heimweg, und sie zu bitten, einmal in meinem Apartment nachzusehen, ob alles in Ordnung sei.
»Ob Sie zurückkommen oder nicht, ist mir ziemlich egal. Sie können wegbleiben, so lange Sie wollen.« Sie knabberte
deutlich hörbar an einer Möhre oder einer Selleriestange und gab mit vollem Mund ein weiteres Beispiel ihres skurrilen Humors: »Vor zwei Tagen habe ich Ihre Katze, diese stinkende Bestie, in den Shredder des Sperrmüllwagens geschoben, und Ihr australisches Fliegenschnäpper-Vögelchen habe ich aus dem Fenster fliegen lassen. Was sonst könnte ich noch für Sie tun?«
»Wie wär’s, wenn Sie mal ein Gefühl für echten Humor entwickeln würden?«
Sie wollte mich aufziehen, spielte die barsche Wohltäterin, und das war ein gutes Zeichen. Sie wusste alles, was in unserem Apartmenthaus vor sich ging, und so konnte ich davon ausgehen, dass mir wahrscheinlich keine Gangster-Killer im Treppenhaus oder in der Wohnung auflauerten.
Den Rest des Abends verbrachte ich damit, systematisch die letzten fünf Dateien durchzugehen, um mir ein Bild zu verschaffen, was sie im Einzelnen enthielten. Ein Index war hilfreich dabei, aber die Entries als solche waren zusätzlich verschleiert – ein paar Worte oder Initialen, die nur Bobby sofort erkennen konnte.
Um ein Uhr nahm ich eine Schlaftablette und schlief danach sechs Stunden tief und traumlos. Noch vor neun am nächsten Morgen war ich wieder unterwegs, fuhr durch die wellige grüne Landschaft Ohios zur I-80, die mich nach Chicago führen würde.
Ich hatte mir nicht viele Gedanken über Carp gemacht – über das, was er vielleicht gerade tat -, seit ich ihn letztmals am Rand des Rock Creek Park auf seinem Bike gesehen hatte. Er hat sich irgendwo verkrochen, dachte ich. Und ich hatte die Entwicklung der FBI-Morduntersuchung in Jackson nicht weiterverfolgt; ich nahm mir vor, das heute Abend nachzuholen. Wenn die Feds ihn nicht in den nächsten Tagen
ausfindig machten, würde ich ihnen auf die Sprünge helfen müssen …
Um kurz nach zehn hielt ich bei einem Dairy Queen an und kaufte mir eine Eiswaffel. Ich lehnte mich an den vorderen Kotflügel des Wagens und knabberte den Schokoladenguss vom Eis. Da läutete das Handy im Wagen. LuEllen …
Ich beugte mich über den Fahrersitz, gab Acht, dass kein Eis auf das Polster tropfte, griff zum Handy, meldete mich: »Ja?«
Die Stimme eines Mädchens, zitternd, dünn, als ob es ein Stück von der Sprechmuschel entfernt sei: »Mr. Kidd? Er … er hat mich auf dem Weg zur Bibl’othek geschnappt …«
»Was?«
»Er hat mich auf dem Weg zur Bibl’othek gekidnappt. Er will … er will Bobbys Laptop haben.«
Gottverdammte Scheiße! Nicht LuEllen, sondern Rachel. »Wo bist du jetzt, Schätzchen? Was …«
»Kidd? Hier ist James Carp.«
Wie ein Keulenschlag auf den Schädel … »Carp?«
»Ich nehme an, Sie waren es, der den Laptop aus meinem Wagen geklaut hat. Ganz schön clever. Ich will ihn zurückhaben. Wir sollten einen Deal machen.«
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Von dem Laptop, den Sie haben. Und von Rachel, die ich habe. Ich werde das Mädchen gefangen halten, bis ich den Laptop kriege. Ich nehme an, Sie sind noch in Washington. Ich verlange, dass Sie so schnell wie möglich herkommen, nach Longstreet, klar? Heute Abend? Ja, noch heute Abend, denke ich.«
»Ich bin nicht mehr in Washington«, sagte ich. »Ich kann unmöglich heute noch nach Longstreet kommen. Ich bin im Wagen unterwegs, mitten im Nirgendwo.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie schleunigst ins Irgendwo
kommen«, fauchte er. Seine Stimme war hoch, fast quiekend, als ob er kurz vor dem Ausflippen wäre … »Ich will Ihnen sagen, was ich tun werde: Ich werde dieses Mädchen tief im Wald irgendwo verstecken, wo Sie sie niemals finden können. Weit draußen in der Wildnis. An einen Baum gekettet. Wenn Sie falsche Spielchen mit mir treiben, lasse ich sie dort, und Sie finden niemals raus, wo sie ist.«
»Ich gebe Ihnen den Laptop, okay, aber ich kann es wirklich nicht schaffen, heute noch nach Longstreet zu kommen«, sagte ich. Meine Stimme klang ängstlich, und es war mir egal, ob man es heraushörte; vielleicht war es sogar besser, wenn Carp
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