Todesspiel
Männer blieben auf der kleinen Veranda vor dem Eingang einen Moment stehen, schauten die Straße entlang, dann hoch zum obersten Geschoss des Gebäudes. Der Weiße trug eine Khakihose, ein T-Shirt und eine Sportjacke, der
Schwarze ebenfalls eine braune Hose, dazu ein Golfhemd. Sie stammten bestimmt nicht aus der Nachbarschaft.
»Irgendwelche Cops?«, fragte ich, während die beiden im Gebäude verschwanden.
»Wahrscheinlich keine richtigen Cops«, meinte LuEllen. »Sie tragen keine Waffen, wie man sehen kann, es sei denn diese Mini-Dinger an den Fußgelenken. Und sie haben nicht all das Zeug an den Gürteln hängen, wie das bei Cops der Fall ist. Keine Beeper, keine Handys, keine Handschellen. Keine Kleidungsstücke, unter denen sie so was verstecken könnten.«
»Wir wissen jetzt aber, dass da was im Busch ist. Jemand ist jetzt jedenfalls da drin, vielleicht die Feds …«
»Ja, vielleicht. Wir dürfen jetzt natürlich nicht reingehen. Sie bräuchten nur einen Mann im Flur oder auf der Treppe nach oben postiert zu haben, und wir wären geliefert.«
Plötzlich wurde ich auf einen Mann aufmerksam, der sich vom Park her näherte. »Heh, sieh dir das an!«, zischte ich. Eine stämmige Gestalt kam auf dem Gehweg angejoggt. »Das ist der verdammte Carp!«
»Der Mann da ist blond«, widersprach LuEllen. Dünnes helles Haar fiel dem Jogger um die feisten Schultern.
»Egal, das ist Carp«, beharrte ich. »Auf geht’s!«
»Was? Wohin?« Sie hielt mich am Arm fest.
»Den Hügel hoch. Vielleicht können wir von da oben sehen, was in dem Apartment passiert.«
»Na, ich weiß nicht«, zögerte sie, aber ich stieg aus und marschierte los, hörte, dass hinter mir die Beifahrertür zugeschlagen wurde. Ich überquerte die vierzehnte Straße, bog in die Clay Street ein und ging auf das Apartmentgebäude und den von dort den Hügel hochführenden Pfad zu.
Vor mir, etwa einen Block entfernt, wich Carp einem Wagen aus, lief dann die Stufen zum Eingang des Gebäudes hoch, verschwand im Inneren. Ich ging weiter, auf das Gebäude
zu, aber LuEllen rief mir zu: »Heh, Kidd, langsam, mach doch langsam!«
Ich tat es. Langsam vorzugehen ist in solchen Fällen immer am besten. »Er hatte den Laptop nicht dabei«, sagte ich. »Er ist entweder im Apartment oder in seinem Wagen. Wir müssen den roten Corolla finden, er hat ihn bestimmt irgendwo in der Nähe abgestellt …«
»Wenn er den Laptop aber im Apartment hat, könnte es doch sein, dass er mit diesen beiden Männern zusammenarbeitet; vielleicht waren sie in New Orleans, um Carp zu treffen.«
Sie legte wieder die Hand auf meinen Oberarm, wollte mich mit leichtem Druck der Finger zurückhalten, aber ich ließ das nicht zu, ging jetzt den Hügel hinauf.
Und dann hörten wir die Schüsse. Es waren keine Schüsse aus einer 22er. Es waren drei oder vier Schüsse aus einer erheblich größeren Waffe. Wir zuckten zusammen, blieben stehen, und LuEllen zischte: »Umkehren, umkehren!« Wir machten also kehrt, gingen zurück den Hang hinunter. Ein Schwarzer hatte auf der Veranda eines Apartmenthauses gegenüber gesessen und Zeitung gelesen, aber nach den Schüssen sprang er auf und verschwand eilig im Haus.
»Weitergehen, weitergehen!«, sagte LuEllen. Wir eilten weiter den Hang hinunter, zurück in Richtung unseres Wagens, stolperten auf dem unebenen Gehsteig, schauten immer wieder zu Carps Apartmenthaus hinüber. Und sahen, dass der weiße Mann, der eben in das Gebäude gegangen war, der Mann, den wir vermutlich an Carps Wohnwagen gesehen hatten, aus der Haustür getaumelt kam, die Verandatreppe hinunterstürzte, sich aufzurichten versuchte, wieder auf den Gehweg fiel, offensichtlich schwer verletzt.
Und dann kam Carp aus der Tür, trat zu dem Mann auf dem Boden, der sich erneut aufzurichten versuchte, richtete
eine Waffe auf ihn. Er gab einen Schuss ab, in den Hinterkopf des weißen Mannes, und der Mann sank mit dem Gesicht nach unten zurück auf das Pflaster, blieb flach wie ein Pfannkuchen liegen.
»O Gott!«, stieß ich aus, und LuEllen keuchte: »Nein, nein, nein!« Ihre Fingernägel gruben sich in meinen Unterarm.
Carp lief an der anderen Seite den Hügel hoch, in den Park, und schob die Waffe in die Jackentasche.
Schräg hinter uns, im zweiten Stock des Gebäudes, riss eine Frau ein Fenster auf und schrie: »Neun-eins-eins, Neun-eins-eins, Neun-eins-eins!« Ich fragte mich, warum sie nicht selbst den Notruf wählte, bis mir einfiel, dass sie offensichtlich kein Telefon
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