Todesstoß / Thriller
Webster?«
»Nichts.«
Er zog kurz die Brauen hoch, dann setzte er sich. »Hat er dich schon geküsst?«
Sein Tonfall war so bezaubernd neugierig, dass sie vielleicht gelächelt hätte. Aber ihre Gedanken kehrten automatisch zu dem Kuss in der Bar zurück, der so besitzergreifend gewesen war. So notwendig. Und so unmöglich. Ihre Augen brannten. »Hör auf.«
»Womit? Dich davon abzuhalten, einen dummen Fehler zu begehen? Du hast schon zu viel durchgemacht, als dass ich einfach dastehe und zusehe, wie du dich wieder in zurückziehst.«
Der Kummer wurde von willkommener Wut verdrängt. »Das tue ich überhaupt nicht. Nicht mehr.«
»Ach nein? Nur weil du dich nicht mehr in Danas Frauenhaus verkriechst? Du versteckst dich auf ganz andere Art. Nenn mir einen guten Grund, warum du Webster einen Korb gibst. Und jetzt komm mir bloß nicht damit, er sei zu alt für dich, denn dann müsste ich dich hauen, weil er in
meinem
Alter ist.«
Sie stieß langsam den Atem aus. »Du weißt, warum.«
Er sah sie einen Moment lang verwirrt an, dann veränderte sich seine Miene, als es ihm dämmerte. »O Evie. Du kannst doch unmöglich …«
»Eben. Ich kann unmöglich«, sagte sie und verstand ihn absichtlich falsch.
»Das ist Webster gegenüber nicht fair. Oder jedem anderen, der sich etwas aus dir machen könnte. Vielleicht will er ja gar keine Kinder. Gerade in seinem Alter.«
»Ich dachte, du bist im selben Alter.«
»Ja, bin ich. Und ich will Kinder. Aber ich wäre stocksauer, wenn eine Frau, die ich begehre, sich mir nur aus dem Grund verweigert, weil sie meint, sie wüsste besser als ich selbst, was ich wollte. Du glaubst, du hättest eine besondere Menschenkenntnis.«
Seine Worte hatten sie aufgewühlt, aber der Stolz war stärker. »Die habe ich auch.«
»Weil du sie beobachtest? Sie studierst? Du hast keine Ahnung, Mädchen. Du hast doch das Leben an dir vorüberziehen lassen, seit Winters dich aufgeschlitzt hat.«
Sie fuhr zusammen. »Du gehst zu weit, David.«
»Und es wird Zeit, dass jemand es endlich tut!«
Zorn ließ sie am ganzen Körper beben, als sie sich erhob. »Und du bist der Experte dafür, ja? Ausgerechnet du, der einfach zusieht, wie die Frau, die er liebt, jemand anderen heiratet? Du, der einfach nur zusieht, wie sie ein Baby nach dem anderen kriegt und ihre Familie mit einem anderen wächst?«
David fuhr zurück und wurde unter der Winterbräune bleich.
»Ja«, sagte sie verbittert. »Es
ist
mir aufgefallen. Hast du jemals auch nur daran gedacht, Dana zu sagen, was du für sie empfindest? Oder hast du
angenommen,
du wüsstest, was sie empfand? Was sie wollte?«
Das Schweigen dehnte sich aus und lag schwer in der Luft, bis er endlich das Wort ergriff. »Ich wusste, was sie empfand. Sie hat mich nie geliebt. Sie hat andere Leute gerettet, hat sich ständig in Gefahr begeben, hat nie einen Gedanken daran verschwendet, dass ihr vielleicht etwas passieren könnte. Sie hat erst angefangen, an sich selbst zu denken, als …«
Eve bereute breits heftig, was sie ihm entgegengeschleudert hatte. »Als Ethan kam«, beendete sie seinen Satz.
Er nickte traurig. »Und plötzlich war das Leben auch für sie kostbar. Sie wusste nämlich, wie sehr er gelitten hätte, wenn ihr etwas zugestoßen wäre. Denn sie liebt ihn.«
Sie fühlte sich hundeelend. »Es tut mir leid, David.«
»Aber du hast recht. Ich habe tatsächlich tatenlos zugesehen, wie sie einen anderen heiratet, weil ich sie liebte. Und vielleicht noch immer liebe. Aber wenn sie mir jemals auch nur ein einziges Zeichen gegeben hätte, dass sie etwas Ähnliches empfindet, dann, das schwöre ich, hätte mich nichts mehr zurückgehalten. Und wenn sie keine Kinder hätte kriegen können, das wäre wohl traurig gewesen, aber kein Hinderungsgrund. Vielleicht ist Webster nur eine Etappe in deinem Leben, nur jemand, mit dem du ein bisschen Beziehung üben kannst. Vielleicht ist er aber auch deine Chance auf Lebensglück.« Er räusperte sich. »Evie, lass das Leben nicht an dir vorbeiziehen. Du weißt nie, ob du noch einmal eine Chance bekommst. Vertraue deinen Instinkten. Ich gehe jetzt wieder schlafen. Lass nichts mehr anbrennen.«
Sie sah ihm nach und spürte seinen Schmerz genau wie ihren. Aber er irrte sich. Was Männer betraf, waren ihre Instinkte lausig. Und es ging nicht nur um Kinder. Sondern auch um alles andere.
Im Augenblick würde sie einfach dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte. Auf ihrem Tisch lagen stapelweise Nutzerdiagramme
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