Todesstoß / Thriller
und andere Tabellen ausgebreitet, die Noah und sie durchgesehen hatten. Es musste etwas geben, das ihn sagte, wer das nächste Opfer sein könnte, bevor es wieder zu spät war, um ein Leben zu retten.
Mittwoch, 24. Februar, 4.25 Uhr
»Sie hätten mir sagen sollen, dass Jack nicht ans Telefon geht«, sagte Abbott mit Blick auf Rachels Haus, in das eine kleine Armee Forensiker und Gerichtsmediziner eingefallen war.
Noah lehnte an seinem Wagen, beobachtete die Nachbarn, die sich versammelt hatten, und fragte sich, ob ihr Mörder wohl auch zum Tatort zurückkehrte, um zuzusehen und sich an seinem Verbrechen zu weiden. »Ja, tut mir leid. Das hätte ich.«
Er hatte seinen Chef angerufen, um ihm von der Entdeckung des vierten Opfers zu berichten, und Abbott hatte nicht lange gebraucht, um mitzubekommen, dass sein Personal sich eigenmächtig umverteilt hatte. Darüber war er überaus ungehalten gewesen.
»Wenn Sie noch einmal ohne mein ausdrückliches Einverständnis Detectives von ihrer Arbeit abziehen, dann trete ich Ihnen so fest in den Hintern, dass Sie erst nächste Woche wieder sitzen können«, fügte er nun mit gelassener Stimme hinzu.
»Meinetwegen. Hauptsache, Sie geben nicht Olivia die Schuld. Sie wollte mir nur helfen.«
»Keine Sorge, die Schuld gebe ich allein Ihnen. Wann genau hatten Sie denn vor, mir mitzuteilen, dass sich Ihr Partner seit mindestens drei Wochen überaus unzuverlässig gebärdet? Oder sogar schon länger?«
»Mal mehr, mal weniger. Das hängt von der Frau in seinem Bett ab. Irgendwann geht die betreffende Dame wieder, und Jack kehrt zurück.« Noah zuckte mit den Schultern. Das Gespräch bereitete ihm Unbehagen. »Aber dass er gar nicht auftaucht wie heute … das ist ungewöhnlich.«
»Er ist auf dem Weg. Er behauptet, Sie hätten ihn gar nicht angerufen.«
Noah blinzelte. »Wie bitte?«
»Das ist es, was er sagt«, wiederholte Abbott.
»Ja, aber die Nummer kenne ich schon. ›Oh, da hatte mein Handy wohl kein Netz.‹«, ahmte Noah seinen Partner nach. Er rief die Liste der getätigten Anrufe auf. »Da. Ich habe sein Handy und seinen Privatanschluss angerufen. Mehrfach.«
»Und nicht nur die beiden, wie ich sehe.«
Ärgerlich klappte Noah sein Handy zu. »Es war ein ereignisreicher Tag«, sagte er barsch.
»Zweifellos. Ich will, dass Sie mich auf den neusten Stand bringen, dann nach Hause fahren und sich hinlegen. Die Spurensicherung wird sowieso noch einige Zeit hier verbringen. Also – was ist geschehen?«
Noah begann mit Eves Entdeckung, dass ihre Risiko-Probandin Rachel Ward nicht dort gewesen war, wo sie hätte sein sollen, und endete mit Olivias Ankunft bei Wards Haus und dem offenen Schlafzimmerfenster. Seine Stimme war tonlos, und er ratterte die Fakten herunter, als hätte er sie auswendig gelernt.
»Seine Inszenierung hat im Keller stattgefunden. Er hat die Fenster verhängt, so dass niemand das Feuer sehen konnte. Die Rauchmelder waren außer Betrieb. Er hat die Flammen bis an den Hocker kommen lassen, auf dem er sie festgebunden hatte. Sie hat Verbrennungen dritten Grades an Füßen und Beinen. Micki hat Brandermittler hinzugebeten.«
»Okay«, sagte Abbott. »Das reicht erst einmal. Fahren Sie nach Hause, Noah. Sie sehen schrecklich aus.«
»Okay.« Es war nur seiner Erschöpfung zuzuschreiben, dass er ohne Protest einwilligte. Er wollte sich gerade in Richtung Auto in Bewegung setzen, als Jack seinen Wagen vor ihm parkte.
Noah wartete bei Abbott, bis Jack zu ihnen kam. Sein attraktives Gesicht wirkte hager. Und verkatert. Noah kannte dieses Aussehen nur allzu gut. Er hatte es oft genug in seinem eigenen Spiegel gesehen.
»Abbott hat gesagt, du hättest mich angerufen«, sagte Jack ohne einen Hauch Humor. »Ich habe aber nichts gehört.«
»Ich habe dich sechs verdammte Male angerufen!« Ohne auf das schlechte Gewissen in der Miene seines Partners zu achten, fuhr Noah fort. »Der erste Anruf war um zwei Uhr fünfundzwanzig. Da hat Rachel Ward vielleicht noch gelebt.«
Jack schüttelte den Kopf. »Ich schwöre bei Gott, ich habe keinen Anruf bekommen. Ich bin eingeschlafen.«
Noah kam näher und senkte die Stimme zu einem wütenden Flüstern. »Ach ja? Nachdem du dich besoffen hast?«
Das Schuldbewusstsein in Jacks Augen wich der Wut. »Ich habe nur einen einzigen Drink gehabt. Nicht, dass dich das etwas angehen würde.«
»Nein, stimmt. Aber Rachel hätte es vielleicht anders gesehen. Sie war damit beschäftigt zu sterben, während du deinen
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