Todesstoß / Thriller
würde den Cops noch sehr lange nachhängen, und natürlich würden sie sich verantwortlich fühlen. Sie waren sich so sicher gewesen, dass sie wussten, wie er tickte – dass sie seine Taten voraussehen konnten, dass sie die möglichen Opfer gewarnt hatten.
Aber sie wussten nichts. Das würde an ihnen nagen. Und es würde ihr Selbstbewusstsein Stück für Stück demontieren.
Es war eine gute Nacht gewesen. Wenn er hier fertig war, konnte er nach Hause gehen und schlafen. Er war müde, aber auf eine angenehme Art. Er hatte die sechs getötet, und die Hat Squad würde als das entlarvt werden, was sie war: Großmäulig und inkompetent. Und er konnte sich zurücklehnen und die Show genießen.
Er schob die Betonplatte zur Seite und sah stirnrunzelnd hinab. Er musste sich eine Pause gönnen. Offensichtlich verlangsamten zu viele Leichen den Zersetzungsprozess. Er verzog angewidert das Gesicht beim Anblick von Jeremy Lyons’ Hand, die aus der Schicht Erde und Kalk herausragte.
Er durchtrennte die Stricke, mit denen er sein letztes Opfer gefesselt hatte, dann verharrte er plötzlich. Vor seinem inneren Auge sah er nicht die Hure von heute sondern die von …
Sonntag. Wilde Hunde.
Er hatte ihr erzählt, sie würde von wilden Hunden zerfetzt werden. Ihre Augen waren blau gewesen, der Haaransatz braun.
Sein Verstand klärte sich und knüpfte die Verbindung. Er hatte das Gesicht erneut gesehen. Heute. Aber wo?
Im Krankenhaus.
Sie hatte müde und … ängstlich ausgesehen. Er ließ die Leiche liegen, wo sie war, und ging zu der Schublade, in der er all die alten Handys aufbewahrte. In dieser Schublade befanden sich zahllose Brieftaschen, Portemonnaies und Papiere. Er fand die Fahrerlaubnis der Hure von Sonntag. Lindsay Barkley. Dann kramte er das Handy aus der nächsten Schublade hervor und klickte sich durch die Fotos, die darauf gespeichert waren. Da, das Mädchen, das er heute gesehen hatte.
Warum war sie im Krankenhaus gewesen? Er dachte angestrengt nach, dann fiel ihm der große junge Mann ein, bei dem sie gesessen hatte, und er sog scharf die Luft ein. Der junge Kerl kannte Eve Wilson!
Vielleicht wusste das Mädchen ja nichts. Aber er würde kein Risiko eingehen. Er sah in Lindsays Führerschein. Er wusste, wo sie wohnte. Er würde morgen früh auf dem Weg zur Arbeit dort vorbeischauen. Und ein bisschen mit ihr plaudern. Er würde leicht mit ihr fertig werden.
Er packte die Leicht an den Knöcheln und zerrte sie zur Grube. Sie war ziemlich voll, aber zwei weitere würden wohl noch hineinpassen. Lindsays Schwester und Eve waren zwar groß, ja, aber beide waren schlank. So viel Platz brauchten sie nicht.
Und dann musste eine ganze Weile lang Schluss sein, ermahnte er sich. Das war ja kein Problem. Sobald sein Plan ausgeführt war, dann würde der psychische Druck abnehmen, und wenn er in einigen Monaten wieder zu jagen begann, gab es auch wieder Platz in der Grube.
Donnerstag, 25. Februar, 3.30 Uhr
Olivias Handy klingelte und schreckte sie von der Liege im Pausenraum hoch. Dell Farmer war eine harte Nuss. Kane und Abbott wechselten sich mit dem Verhör ab, so dass sie sich ein Weilchen hatte aufs Ohr legen können. Blinzelnd klappte sie ihr Handy auf. »Sutherland«, sagte sie und unterdrückte das Gähnen.
»Tom hier. Tom Hunter.«
Olivia setzte sich kerzengerade auf und schaltete das Licht neben der Liege ein. »Geht es David gut?« Aber natürlich, es konnte nicht anders sein. Das Krankenhaus hätte längst angerufen, wenn es einen Vorfall gegeben hätte.
»Ja. Ich habe um zehn noch mit ihm gesprochen, und da wollte er schlafen.« Sie hörte Tom seufzen. »Das hört sich jetzt paranoid an, und außerdem wirst du stinksauer sein.«
»Ich habe ziemlich viele Leute auf deinen Onkel angesetzt«, sagte Olivia freundlich. »Ihm passiert nichts.«
»Nein. Olivia … ich war heute mit Liza weg.«
Olivia verengte die Augen. »Was heißt ›weg‹? Weg im Sinne von verabredet oder weg wie in ›böse Buben jagen‹?«
»Letzteres. Moment«, sagte er laut, bevor sie explodieren konnte. »Wir hatten Erfolg. Wir haben den Kerl gefunden, den die Prostituierte gestern erwähnt hat. Jonesy.«
»Und du hattest nicht vor, mir das vorher zu sagen?«
»Du hättest uns nur angeschnauzt, weil wir uns auf die Suche gemacht haben.«
»Und ob ich geschnauzt hätte«, schnauzte sie. »Deine Mutter hat mir gesagt, ich soll auf dich aufpassen, Tom. Deinetwegen kriege ich echten Ärger.«
»Ich bin zwanzig«, sagte er
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