Todesstoß / Thriller
glaubte sie, er sei schwul. Es war keine optimale Lösung, erklärte aber, warum er sie anfasste. Er schloss die Küchentür und zog die Stirn in Falten, als er das Licht anknipste. Etwas war anders. Er brauchte einen Moment, um darauf zu kommen.
Sie hatte den Futternapf der Katze weggestellt. Er mochte es nicht, wenn sie etwas veränderte, das wusste sie. Nur ein einziges Mal hatte er sie in ihrer Ehe schlagen müssen, und das war bei einer solchen Gelegenheit gewesen, aber sie hatte es schnell begriffen und die Dinge in Zukunft so gelassen, wie er sie haben wollte. Bis jetzt.
Er öffnete die Schranktüren so leise, dass er sie nicht weckte. Es war ihm völlig egal, ob sie ihren Schönheitsschlaf bekam, aber sie war sein Alibi. Und mehr war sie auch nie gewesen. Der Futternapf war nirgendwo zu sehen. Vielleicht hatte sie ihn zerbrochen und hoffte nun, dass er es nicht merken würde.
Doch er merkte es immer, merkte alles. Wütend stieg er die Treppe hinauf, zwang sich aber zur Ruhe. Es war nur die Erschöpfung. Er würde sich morgen mit ihr auseinandersetzen, wenn sie aufgewacht war und ihn neben sich entdeckt hatte.
Er hatte ihr heute Abend wie immer eine Tasse Tee gebracht. Versetzt mit genug Betäubungsmittel, um ihr einen störungsfreien Schlaf zu gewähren, so wie er es immer tat, wenn er ausging. Wie er es in der vergangenen Woche jeden Abend getan hatte. Er zog die Schlafzimmertür hinter sich zu.
Und blieb wie angewurzelt stehen. Sie lag nicht im Bett. Langsam drehte er sich um. Und erstarrte erneut.
Sie saß in einem der Sessel am Fenster, und in der Hand hielt sie eine Pistole. Sein Puls ging schneller. Er kannte die Pistole. Es war eine der vielen aus seinem Versteck. Sie war dort gewesen. »Was soll das?«, fragte er ruhig.
»Ich habe den Tee heute Abend nicht getrunken«, sagte sie. »Und gestern auch nicht. Oder vorgestern Abend.«
Sonntag.
»Und warum nicht?«, fragte er und verlieh seiner Stimme einen gekränkten Unterton. Sie war klein, mit ihr würde er leicht fertig werden. Ihr die Waffe abzunehmen, würde ein Kinderspiel sein.
»Wegen deiner Katze. Ich habe ständig niesen müssen, also habe ich eine Tablette gegen die Allergie genommen.«
»Und was hat das mit dem Tee zu tun?« Er trat einen Schritt näher, und sie hob die Waffe ein Stückchen höher. Interessant. Sie waren zwanzig Jahre miteinander verheiratet, und er hatte nicht einmal gewusst, dass sie mit einer Pistole umgehen konnte. Rückblickend hätte er sie wohl einmal fragen sollen.
»Komm nicht näher«, sagte sie, und er hörte Furcht in ihrer Stimme, Panik. Ekel. »Und halte die Hände so, dass ich sie sehen kann. Die Tablette zeigte eine Reaktion auf das, was du mir in den Tee getan hast. Ich musste mich übergeben. Ich war wach, als du Sonntagnacht nach Hause kamst. Montagmorgen eher. Du warst die ganze Nacht fort gewesen.«
»Ja. Bei einem Patienten«, log er.
»Du hattest Sex. Ich weiß es. Ich dachte, du triffst dich mit einem Burschen, und das war vollkommen okay. Aber dann warst du auch die Nacht darauf weg, und als du zu mir ins Bett kamst, konnte ich Parfum riechen.
Frauenparfum.
Ich habe deine Neigung immer akzeptiert, und ich war gewillt, zu tun als ob. Aber du hast mich betrogen. Mit
Frauen.
«
Er legte den Kopf schief und tat, als sei er überrascht. »Du bist sauer, weil du glaubst, dass ich nicht schwul bin?«
»Hör auf«, sagte sie angewidert. »Versuch nicht einmal, mich einzuwickeln. Ich bin dir gefolgt.«
Er verengte die Augen. »Aha?«
»Ich habe dich gestern Nacht
gesehen.
Ich bin dir zu deinem anderen Haus gefolgt, habe gesehen, wie du die Wagen gewechselt hast und einer Frau hinterhergefahren bist.« Sie lehnte sich zurück und sah ihm in die Augen. »Ich dachte, du hättest ein anderes Zuhause. Ein anderes Leben. Vielleicht sogar eine andere Frau. Und ich dachte, deswegen wolltest du mich vielleicht nicht. Da ich unbedingt Gewissheit haben musste, bin ich heute noch einmal zu deinem Haus gefahren.«
Er ballte die Hände zu Fäusten. »Dazu hattest du kein Recht!«
Sie lachte hohl. »Gott, du stehst da und redest von Rechten? Ich war in deinem Keller. Habe die … die Schuhe gesehen. Du bist ein Monster. Wie lange? Wie lange mordest du schon?«
»Seit dreißig Jahren«, sagte er, auf eine seltsame Art erfreut, sich endlich jemandem offenbaren zu können.
Sie schüttelte hilflos den Kopf. »Ich … ich habe die Grube gefunden. Seither kann ich das Bild nicht mehr verdrängen. Jedes Mal,
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