Todesstoß / Thriller
würde, wenn ich die Wahl hätte. Okay – bist du soweit?«
Eve holte tief Luft. »Ja. Lass sie rein.« Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Sal auch schon hereinplatzte und seine Arme um sie schlang. Sie spürte, wie er bebte, und erkannte plötzlich, dass er weinte. Und die Tränen, die sie bisher mühsam zurückgehalten hatte, brachen sich endlich Bahn. »Mir geht’s gut«, schluchzte sie und tätschelte seinen Rücken. »Wirklich gut.«
Er nickte, ohne seine Umarmung zu lösen. »Tu mir das bloß nie wieder an«, knurrte er. Dann ließ er sie los und wischte sich die Tränen ab, ohne sich darum zu kümmern, ob es jemand sah oder nicht.
Callie verteilte Taschentücher. »Sonst wirft er dich raus. Das hat er während der Fahrt hierher mindestens sechsmal gesagt.«
Sal warf ihr einen bösen Blick zu. »Ich war aufgewühlt.«
Eve tätschelte seine Wange. »Du bist wirklich sehr lieb«, sagte sie, »aber absolut nicht geschäftstüchtig. Du kannst doch die Bar nicht einfach zumachen. Heute Abend findet ein Spiel statt.«
»Es wäre sowieso keiner gekommen«, sagte Noah. Er stand an der Tür, und wie immer verschlug es ihr bei seinem Anblick den Atem. Es spielte keine Rolle, in welcher Art Türrahmen er stand, der Effekt schien immer derselbe zu sein. »Ich habe den Eindruck, dass sich alle Stammgäste unten versammelt haben.«
Sal wandte sich um, betrachtete Noah einen Moment, dann wandte er sich wieder Eve zu und lächelte zufrieden. »Du nimmst die Flasche am Sonntag also doch mit zu Trina?«
Sie begegnete Noahs Blick und las darin alles, was sie sich je gewünscht hatte. »Ich schätze ja.« Mühsam stemmte sie sich hoch. »Und was ist jetzt mit den anderen Gästen? Hoffentlich hat mir jemand Blumen mitgebracht. Seit meiner letzten Entführung hat mir niemand mehr Blumen geschenkt!«
Donnerstag, 25. Februar, 20.30 Uhr
Olivia legte dankbar die Hände um den Kaffee, den Kane ihr aus dem Automaten im Warteraum des Krankenhauses gezogen hatte. »Danke. Den habe ich nötig.«
»Du solltest nach Hause gehen«, sagte er.
»Tue ich auch. Ich will nur vorher nach Liza und Eve sehen.«
»Ist Micki noch am Tatort?«
Pierce’ Keller mit der Grube war eine höllische Entdeckung gewesen, die sich für ewig in ihre Erinnerung gegraben hatte. »Ja. Sie wird dort wahrscheinlich noch ein paar Tage zu tun haben. Aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt lieber nicht darüber reden.«
»Okay.« Und typisch für Kane verstummte er und wartete, bis sie wieder zu sprechen bereit war.
»Ich habe das Sozialamt angerufen«, sagte sie schließlich. »Sie haben einen guten Platz für Liza gefunden.«
»Sehr gut.«
Sie sah zur Seite, den Tränen gefährlich nah. »Kane. Die Leichen in der Grube … das war entsetzlich!«
Er strich ihr mit seiner großen Hand unbeholfen übers Haar. »Gehen wir beiden besuchen, dann fahre ich dich nach Hause.«
»Du bist ein Schatz und ein großartiger Chauffeur, aber auch dich hat man heute niedergeschlagen, schon vergessen? Ich komme allein klar, aber danke.« Sie sog die Luft ein. »Okay, gehen wir.«
Sie betraten Liza Barkleys Krankenzimmer. Das Mädchen war wach und starrte vor sich hin. Sie konnte sich an alles erinnern, das wusste Olivia, und die Bilder würden sie ihr Leben lang verfolgen. Liza hatte überlebt, aber ihre Schwester nicht, und vor ihr lag ein langer, einsamer Weg.
Tom saß an ihrer Seite. Er schwieg und berührte sie nicht, war einfach da. Als Kane und Olivia eintraten, erhob er sich. »Ich war eben bei Eve. Ihr Krankenzimmer ist überfüllt.«
Und Liza war ganz allein. Olivia trat an ihr Bett und berührte sie an der Schulter. »Du wirst morgen entlassen. Ich habe einen Platz in einer Pflegefamilie für dich gefunden. Das Haus wird von einer Freundin von mir geführt, und sie wird sich gut um dich kümmern.«
Liza blickte auf. Ihre Augen waren wie tot. »Danke«, murmelte sie, »für alles.«
Olivia begegnete Toms Blick, sah seine Hilflosigkeit, und wusste, wie er sich fühlte. »Ihr beiden habt meine Nummer. Ruft mich an, wann immer es nötig ist. Schlaf jetzt ein bisschen. Ich komme morgen wieder, wenn du entlassen wirst.«
Olivia war schon an der Tür, als Liza sie zurückhielt. »Detective. Lebt er noch?«
Das war vielleicht der einzige Lichtblick für sie. »Nein.«
Lizas Augen schienen zu glühen, aber ihre Stimme blieb ruhig. »Haben Sie meine Schwester gefunden?«
»Ja.« Sie konnte sie noch vor ihrem inneren Auge sehen.
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