Todesstoß / Thriller
keinen falschen Schritt getan, aber das würde er noch tun. Es war nur eine Frage der Zeit.
Er wandte das Gesicht ab, als ein schwarzer SUV an ihm vorbeifuhr. Er wollte nicht bemerkt werden, bevor er bereit war.
Montag, 22. Februar, 22.00 Uhr
Noah hatte Eve genau zugehört, als sie über die Frauen gesprochen hatte, die sie als Gwenivere und Desiree gekannt hatte, und nun verstand er sowohl die Opfer als auch Eve besser. So sehr unterschieden sie sich gar nicht voneinander, er und Eve. Aber sie war noch nicht bereit dazu, das zu hören, das war ihm klar.
»Vielen Dank. Die Affinität der Opfer zur virtuellen Welt mit Suchtverhalten zu vergleichen, erleichtert mir das Verständnis«, sagte er, und sie seufzte, wenn auch nur ganz leicht.
»Wenn wir unsere Bedürfnisse nicht mit dem befriedigen können, was wir bereits besitzen, flüchten wir manchmal lieber, anstatt etwas an dem zu ändern, was uns davon dem abhält. Veränderung ist oft hart zu ertragen.«
»Und die Sucht ist ein Mittel und manchmal auch eine Konsequenz der Flucht.«
»Ja. Die Leute lassen sich von Shadowland vereinnahmen, weil sie dort finden, was sie suchen: Aufregung. Aufmerksamkeit. Liebe. Flucht vor einer Welt, mit der sie nicht umgehen können.« Sie zuckte mit den Schultern. »Im Grunde genommen dieselbe Gründe, warum andere zu trinken beginnen oder Drogen nehmen.«
Es gab so vieles, was er von ihr hören wollte. Aber es war schon spät, und sie zog ihre Handschuhe an. »Wie kommen Sie hinein, wenn Sie keinen Schlüssel haben?«
»Meine Freundin Callie hat einen Ersatzschlüssel. Ich habe ihr eine SMS geschickt und sie gebeten, ihn vorbeizubringen. Sie wird nicht lange brauchen, Sie können also ruhig fahren.«
Noah versuchte, seine Ungeduld zu zügeln. »Eve, selbst wenn Samantha Altman nicht an Ihrer Studie teilgenommen hat, gibt es eine Verbindung zwischen Ihnen und zwei toten Frauen. Woher wollen Sie wissen, dass Sie nicht auch ein Zielobjekt sind?«
»Kann ich nicht, klar«, sagte sie, aber es war eindeutig, dass sie nicht daran glaubte.
»Das scheint Sie nicht so sehr zu beunruhigen, wie es sollte.«
Sie trommelte mit den Fingern auf ihrem Knie herum. »Na ja, ich habe über die ganze Sache nachgedacht.«
»Warum überrascht mich das nicht«, fragte er, woraufhin sie grinste.
»Hören Sie einfach zu. Nehmen wir also an, der Mörder hat alle Opfer in Shadowland kennengelernt. Er spricht sie an. Manchmal vergessen die Leute, dass sie nur eine Rolle spielen und werden wieder ganz sie selbst. Christy war so eine Kandidatin, wie ich festgestellt habe, als sie in mein Geschäft kam. Bestimmt hat sie sich auch ihm gegenüber ganz natürlich gegeben. Er findet heraus, wo seine Opfer wohnen. Man hört öfter, dass Kids online so unvorsichtig sind, dass man sie im wirklichen Leben aufspüren kann, aber Erwachsene vergessen gern, dass es sie genauso treffen kann.«
»Okay. Er findet heraus, wo sie wohnen oder lockt sie an einen Treffpunkt.«
»Genau. Du magst Sonnenuntergänge, ich mag Sonnenuntergänge. Du magst lange Spaziergänge an einem kalten Wintertag, ich auch. Wir haben so viel gemeinsam, also lass uns IRL treffen.«
» IRL ?«
»In real life – im wahren Leben also. Okay, sie treffen sich, und die Frau nimmt ihn entweder mit nach Hause oder er folgt ihr heimlich. Vielleicht wohnt er hier in der Gegend oder er sucht sich Opfer landesweit aus.«
»Da fühle ich mich doch gleich schon sehr viel besser«, sagte er sarkastisch, und ihre dunklen Augen blitzten auf.
»Ich will gar nicht bewirken, dass Sie sich besser fühlen, ich versuche bloß, mir auszureden, dass ich schuld am Tod einer weiteren Frau sein werde.«
»Also glauben Sie sehr wohl, dass Ihre Studie damit zu tun hat.«
»Aber nur, weil Christy in Shadowland war. Martha war schon drin, bevor ich mit meinem Projekt begonnen habe, und Samantha war gar nicht dabei. Der Punkt ist doch, dass er offenbar Kontakt mit ihnen aufnimmt. Ich habe nicht vor, jemanden zu treffen, den ich online kennengelernt habe, daher bin ich in Sicherheit. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie machen sich zu viele Sorgen.«
»Das sagt die Richtige, Eve alias Greer, die Hüterin«, sagte er sanft, und ihre Wangen färbten sich hübsch rosig.
Er hätte sie gern berührt, aber er wusste, dass sie ihm ausweichen würde. Gestern Abend hatte er sich ein für alle Mal abwenden wollen. Doch dass sie heute einander begegnet waren, war ein Zeichen – eines, das er nicht ignorieren konnte.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher