Todesstunde
bevor wir auf den Rettungsschwimmersitz kletterten und uns weiterküssten.
Eine ganze Weile hielten wir durch, schützten einander in einer festen Umarmung gegen die Kälte. Ich wollte nicht aufhören, obwohl mich die Mücken piesackten, doch nach einer Weile kletterten wir wieder hinunter.
Doch unser Grillplatz war verwaist.
»Oh, nein. Jetzt haben sie uns erwischt«, stöhnte Mary Catherine.
»Wer weiß? Vielleicht haben wir Glück, und Seamus’ Fischungeheuer haben sie aufgefressen«, überlegte ich.
Dass wir in Schwierigkeiten steckten, wusste ich spätestens, als ich Shawna und Chrissy auf der vorderen Veranda erblickte.
»Sie kommen, sie kommen. Sie sind nicht tot«, riefen sie im Chor und rannten hinein.
»Oh, doch, das sind wir«, flüsterte Mary Catherine.
»Also, wo könntet ihr beide eine solche Ewigkeit lang gesteckt haben?«, fragte Seamus mit dümmlichem, wissendem Grinsen.
»Ja, Dad«, unterstützte ihn Jane. »Wo wolltet ihr die Limo besorgen? In der Bronx?«
»Hier, äh, war keine mehr. Deshalb bin ich, ich meine, sind wir in den Laden gegangen.«
»Aber der war geschlossen, also sind wir zurückgegangen«, beendete Mary Catherine rasch unsere Ausrede.
»Aber hier ist doch noch ’n Haufen Cola«, rief Eddie aus der Küche.
»Das kann nicht sein. Die muss ich übersehen haben«, behauptete ich.
»Im Kühlschrank?«, zweifelte Eddie.
»Keine Fragen mehr«, verlangte ich. »Ich bin hier der Polizist und der Papa. Noch eine Frage, und ihr geht sofort ins Bett.«
Seamus öffnete den Mund.
»Und den Hintern voll gibt’s auch«, warnte ich und richtete meinen Finger auf ihn. Die Kinder fingen an zu kichern.
»Gut, keine Fragen mehr«, lenkte Seamus ein. »Wie wär’s dann mit einem Lied? Seid ihr bereit, Kinder? Und los.«
»Mike und Mary sitzen auf dem Baum, und K-Ü-S-S-E-N sich, als wär’s ein Traum«, sangen sie, Seamus bei Weitem am lautesten. Sie bildeten einen Kreis und tanzten wie böse Elfen um uns herum. »Zuerst kommt die Liebe, dann die Heirat und für das erste Kind ein Dreirad.«
»Ihr wisst, dass ihr alle tot seid«, keuchte ich mit vor Lachen rotem Gesicht. »Mausetot.«
18
Um Viertel nach sieben am nächsten Morgen war es bereits heiß. Der Motor des Lkws vom Autoverleih röhrte laut auf, als Berger in der Nähe der 42nd Street auf die Lexington Avenue abbog und einen Gang runterschaltete. Schon so früh an einem Montagmorgen verließen die Büroangestellten das Grand Central Terminal wie Ratten ein sinkendes Schiff.
Er stellte den Lkw ab und stieg aus, ohne den Motor abzuschalten. Die Yankees-Kappe hatte er sich umgekehrt aufgesetzt, dazu trug er abgeschnittene Jeans, Bauarbeiterstiefel und eine gelbgrüne Sonnenbrille. Ein Unterhemd und eine Goldkette mit einem protzigen Jesuskopf vervollständigten sein Erscheinen als Vorstadt-Lkw-Fahrer.
Wichtigtuerisch und mit lautem Getöse öffnete er die Ladefläche, bevor er eine Sackkarre mit drei dicken Bündeln der New York Times nach vorne rollte und die hydraulische Laderampe mit einem Surren nach unten senkte.
Auf dem Bürgersteig lavierte er die Sackkarre um die Pendler herum und betrat rasch den Bahnhof. Dort wuselten Hunderte von Menschen durch die kathedralenartige Halle wie Kinder bei der »Reise nach Jerusalem«, um noch vor dem Ertönen der Glocke ihren Platz in der Börse einzunehmen.
Ein pummeliger Antiterrror-Polizist mit einer M16 um die Schulter gähnte, als Berger an ihm vorbei auf einen vollen Kiosk gleich neben dem Hauptwartesaal zuging, wo er die Zeitungen ablud. Der kleine, mahagonifarbene Asiate hinter der Theke kam mit verwirrtem Blick heraus, als Berger die Sackkarre quietschend herumdrehte.
»Noch mal die Times?« ,fragte der Kleine. »Das muss ein Missverständnis sein. Ich habe meine Lieferung schon bekommen.«
»Hä?« Berger warf die Arme in die Luft. »Verscheißer mich nicht. Ich sollte eigentlich schon alles ausgeliefert haben, aber die Zentrale hat gerade angerufen und gesagt, die hier soll ich noch abgeben. Warte, ich hab mein Handy draußen auf dem Lkw. Ich ruf die Deppen eben mal an. Bin gleich zurück.«
Der Asiate schüttelte den Kopf, als Berger den brusthohen Stapel einfach stehen ließ und mit seiner Sackkarre fortging.
Nachdem Berger am Antiterror-Polizisten vorbei war, steckte er sich ballistische Ohrenschützer ins Ohr. Anschließend bog er zum Ausgang Lexington Avenue ab, zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählte die Nummer für den Auslöser der mit viel
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