Todesstunde
ich mich.
Wir gingen auf die Treppe an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers zu, als wir von oben Rufe hörten. Einem Schlag und lautem Rasseln, als wäre ein Kronleuchter von der Decke gestürzt, folgte ein markerschütternder Schrei.
»Was soll das? Was machen Sie in meiner Wohnung? Was tun Sie hier?«, rief jemand.
Ich rannte nach oben, wo sich eine Horde Polizisten vor einer Tür drängte. Ich spähte über ihre Schultern hinweg.
Und riss verwundert die Augen auf. »Nein«, sagte ich nur.
Emily rannte in mich hinein, um auch etwas sehen zu können. »Was ist denn das?«, fragte sie fassungslos.
»Sie tun meinem Rücken weh. Ich habe Rückenbeschwerden«, sagte ein unglaublich fetter Mann, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag.
69
Widerlicher Körpergeruch schlug mir aus dem stickigen Zimmer entgegen. Ein Wunder, dass ich nur husten musste, ohne mich zu übergeben.
Wer auch immer dieser gefährlich beleibte Mann war, mit Sicherheit war er nicht der Verdächtige, den wir mit Hilfe der Zeugenaussagen, des Phantombilds und des Überwachungsvideos suchten.
Ich senkte meine Waffe. Wir hatten die Sache verpatzt.
»Meine Güte, holt mal jemand was zum Zudecken?«, fragte Emily, die, den Blick abgewandt, ihre Waffe einsteckte.
»Und Desinfektionsmittel«, fügte Wong hinzu, der seine Nase und seinen Mund bedeckte, nachdem er dem Mann Handschellen angelegt hatte.
Widerwillig betrat ich das Zimmer, zog ein dreckiges Laken vom Bett und legte es über den Kerl. Er wog locker dreihundert Kilo, schätzte ich. Vielleicht sogar dreihundertfünfzig. Das Laken bedeckte ihn nur knapp, und Wong hatte zwei Paar Handschellen für die fetten Handgelenke verwenden müssen.
Ich kniete mich neben ihn. »Lawrence Berger?«, fragte ich ihn.
Er drehte seinen Kopf mühsam in meine Richtung. »Ja.« Und dann: »Oh! Wow! Michael Bennett. Ich wusste nicht, dass Sie hier sind. Mein Gott, das ist echt krass.«
Emily und ich blickten uns verblüfft an.
»Kennen wir uns?«, fragte ich.
»Sie haben – war das dreiundneunzig? – für die Allgemeinheit einen Vortrag über Ermittlungen in Mordfällen gehalten«, erklärte Berger mit Blick in meine Augen. »Ihre Frau war damals dabei. Eine große, hübsche Irin. Wie geht’s ihr denn heute? Meine Güte, was rede ich da? Ich habe doch im New York Magazine gelesen, dass sie starb. Nun, sie ist an einem besseren Ort. Mein herzliches Beileid.«
Bevor ich dem Kerl meine Faust ins Gesicht rammen konnte, zerrte Hobart hinten an den Handschellen.
»Ah! Meine Handgelenke!«, schrie Berger mit Tränen in den Augen. »Au! Aufhören! Das tut weh! Was haben Sie vor? Mir den Arm zu brechen? Habe ich nicht gesagt, dass ich Rückenprobleme habe?«
»Sehe ich wie dein Chiropraktiker aus, Fettsack?«, raunte Hobart ihm ins Ohr. »Pass auf, was du sagst, sonst landet mein Kampfstiefel in deiner Fresse.«
Berger nickte und wandte sich langsam zu Emily. »Sagen Sie nicht, Sie sind Agent Parker. Sie beide sind wieder zusammengekommen? Ich fühle mich geehrt. Nettes Gestell. Pilates?«
»Das reicht!«, schimpfte Hobart und zerrte noch einmal kräftig an den Handschellen.
Doch statt wieder zu schreien, tat Berger etwas, das ebenso überraschend wie erschreckend war.
Er begann zu kichern.
»Das nennen Sie Schmerzen?« Berger lächelte Hobart an. »Ich habe mehr Leid erlebt, als Sie mir in einer Woche zufügen könnten, Schoko. Was wollten Sie noch mal mit Ihrem Kampfstiefel machen?«
Die Sache nahm eine üble Wendung. Wurde immer seltsamer. Hobart ließ die Handschellen los, als stünden sie unter Strom, und wischte sich die Hände an seiner Hose ab.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Berger, den Kopf wieder in meine Richtung gedreht, diesmal in lebhafterem Ton.
»Wer ist das, Berger?« Ich zeigte ihm die Zeichnung und das Überwachungsfoto aus dem Spielzeugladen.
Berger blinzelte. »Der hat eine beschissen grobe Ähnlichkeit mit Carl, glaube ich.«
»Carl?«, fragte Emily. »Wer ist Carl?«
»Carl Apt ist mein Freund«, antwortete Berger. »Mein sehr enger Freund und Begleiter. Ich weiß, was Sie denken. Langzeitbegleiter, auch bekannt unter schwuler Liebhaber. Aber nein. Nicht dass ich nicht den Versuch unternommen hätte. Aber Carl trennt Geschäftliches und Privates. Er ist rein wie der Schnee in einem Sturm, aber zweimal so kalt.«
»Carl tut was? Arbeitet für Sie?« Ich konnte mir keinen Reim auf seine Worte machen.
»So in der Art«, antwortete Berger. »Es ist
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