Todesstunde
dunkles Loch im Boden, um eine Schlange herauszuziehen.
»Alpha eins, wir haben freie Bahn«, meldete eine Stimme in meinem Ohrhörer fünf Minuten später. Der Motor erwachte zum Leben und ließ den Van mit quietschenden Reifen scharf nach rechts abbiegen.
»Jaa! Jetzt geht’s los!«, johlte Officer Wong mit breitem Grinsen und zurrte den Kinngurt seines Helmes fest. »Ich wollte mir schon immer mal eine Luxuswohnung im Himmel ansehen.«
68
Emily rutschte gegen mich, als der Van um die Ecke schlidderte. Mein Kopf schlug beinahe an die Decke des Vans, der die Fifth Avenue überquerte und vor Bergers Wohnung über den Bordstein hüpfte.
Die hinteren Türen wurden aufgerissen, und Emily und ich rannten den Jungs über den Bürgersteig bis unter die grüne Markise hinterher. Als sich meine Augen an das düstere Licht in der Eingangshalle gewöhnt hatten, erkannte ich den Portier, der mit dem Rücken zur Wand neben einem riesigen Ölgemälde stand. Sein Hut lag zwischen den Beinen, die Hände mit den weißen Handschuhen hielt er nach oben. Ein Schild neben ihm besagte: »Besucher bitte anmelden.«
»Heute nicht, mein Freund«, sagte Hobart und reichte ihm den Hut.
Alle erstarrten, als die holzvertäfelten Fahrstuhltüren am anderen Ende der Eingangshalle mit einem Gongschlag zur Seite glitten. Ein halbes Dutzend Laserpunkte erfasste ein großes, perfekt aussehendes junges Paar in Geschäftskleidung. Bevor die beiden den Mund aufmachen konnten, lagen sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Orientteppich.
»Sie sind sauber, Chef«, meldete Wong und warf Hobart die Brieftasche des jungen Mannes zu.
Ein kräftiger, schwarzhaariger Mann in blauer Arbeitskleidung und mit Drahtgestellbrille trat durch die Tür neben dem Fahrstuhl. »Die hinteren Fahrstühle sind hier, meine Herren. Hier entlang«, sagte er mit schwerem osteuropäischem Akzent und winkte uns hektisch zu sich.
Ein paar Männer blieben zur Sicherung der Eingangshalle zurück, während wir anderen durch einen staubigen, dunklen Flur eilten und uns in einen Lastenaufzug à la Film noir zwängten.
»Das ist Wahnsinn. Wahnsinn«, sagte der Hausmeister, der den Fahrstuhl bediente, immer wieder.
Da hast du verdammt recht, dachte ich. Kein Sterbenswörtchen, kein Witz war mehr zu hören, als sich die Fahrstuhlgittertüren mit einem beängstigenden Rasseln schlossen.
Im obersten Stockwerk betraten wir einen schäbigen, schmalen Flur, der von einer einzelnen Glühbirne an der Decke beleuchtet wurde. Dies musste der Dienstboteneingang sein. Hobart bedeutete uns mit einem Zeichen seiner Hand, an einer Ecke des Flurs neben ein paar Mülleimern anzuhalten. Zwei Männer huschten weiter, gingen neben Bergers Hintereingang auf die Knie und befestigten Sprengstoff.
Sie rannten zurück zu uns, woraufhin Hobart per Funk nach unten in den Keller »in Position« meldete.
»Roger. Ich betätige den Schalter. Der Saft ist aus. Ihr könnt los«, meldete ein Polizist zurück.
Hobart nickte. Einer der Polizisten drückte einen Auslöser, der wie eine Heftmaschine aussah. Bergers Hintertür zersplitterte mit einem riesigen Knall.
In den nächsten Momenten herrschte das reinste Chaos, als die Männer laut rufend die Wohnung stürmten.
»FBI!«, schrie Hobart mit einer Stimme, die klang, als hätte er schon mit ihr allein eine Tür sprengen können. »Runter! Runter! FBI! Alles auf den Boden!«
Emily und ich traten hinter dem Sondereinsatzkommando über die noch immer rauchenden Überreste der Tür in eine hohe Küche. Statt der Granitarbeitsplatten und supermodernen Schränke, die ich hier erwartete, wirkte die Küche mit den großen, abgenutzten Herden und den Edelstahlplatten eher wie die einer Kantine. Doch meine Verblüffung wurde durch den Anblick des Esszimmers noch überboten.
Ein Dutzend Tische waren mit Leinentischdecken, Tischsets und Kerzen gedeckt. Das Porzellangeschirr, die Kristallgläser und das Silberbesteck verliehen dem Zimmer aus unerfindlichem Grund etwas Unheimliches. Auf einer kleinen Bühne in der Ecke stand sogar ein Flügel. Das Ganze sah aus wie ein Restaurant.
Emily schüttelte den Kopf. »Soweit dazu, dass wir nicht wussten, was wir hier vorfinden würden.«
Wir gingen in ein noch größeres Wohnzimmer weiter, an dessen Mahagoniwänden unglaubliche Werte an Kunstgegenständen hingen. Eine Sammlung galeriereifer Entwürfe, Fotos, ein Bild, das nach Renoir aussah, modernes Zeug.
»Hier hängt ja jeder Zentimeter mit Bildern voll«, wunderte
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