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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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dachte er. So weit, so gut.
    Als er eine Minute später hörte, wie der Fahrstuhl irgendwo weit oben stehen blieb, riss er am Gurt seiner Tasche und öffnete die Tür zum Fahrstuhlschacht. Dort sprang er an den vertikalen Träger, an dem er bereits zuvor gehangen hatte, und hangelte sich leise abwärts. Sobald er an der Tür zur Eingangshalle vorbei war, sprang er die letzten drei Meter nach unten. Dort befand sich eine kleine Tür in der Ecke, die in den Keller führte. Er stieß die Tür auf, trat hindurch und schloss sie rasch wieder hinter sich.
    Mit gezogener Waffe rannte er einen Flur entlang, vorbei an verstaubten Mülleimern und dem Heizraum, hinter dem er um die Ecke bog. Am Ende blieb er vor einer dicken Stahltür stehen, auf die er zweimal mit der Faust schlug.
    Ein hässliches Mädchen öffnete, dem Carl seine Waffe ins Gesicht schob. Ihr oben offener, fleckiger Bademantel gab die Tätowierung eines Schmetterlings unterhalb ihres schmutzigen Schlüsselbeins frei.
    Sie zuckte zurück. »Was soll das? Wer sind Sie? Sie haben kein Recht, hier zu sein«, schimpfte sie in gebrochenem Englisch mit slawischem Akzent.
    »Ich bin amerikanischer Staatsbürger, du Schlampe, anders als du. Halt den Mund, und beweg dich«, fauchte Carl.
    Nachdem er ein halbes Jahr in diesem Haus gewohnt hatte, hatte er herausgefunden, dass der Hausmeister einen der Kellerräume in eine Wohnung für osteuropäische illegale Einwanderer umfunktioniert hatte. Es war der Geruch gewesen. Er hatte ihn bemerkt, als er nach unten gekommen war, um Sachen in Lawrence’ Kellerraum zu verstauen. Denselben Gestank von schlechter Wurst hatte er gerochen, als er während des Bosnienkriegs bei Delta Force als Leibwächter für Staatsbeamte gearbeitet hatte.
    Gleich bei der ersten Begegnung hatte Carl den Hausmeister als Serben erkannt. So wie der wachsam dreinblickende Kerl sich verhielt, war er wahrscheinlich als Kriegsverbrecher geflohen. Soll ich was für dich erledigen? Den Müll wegbringen? Gerne, aber erst die Kohle.
    Eigentlich wäre Carl nicht überrascht gewesen, wenn das Mädchen vor ihm das Geld für den Schleuser als Nutte verdiente. Und das im Keller eines Luxuswohnhauses auf der Fifth Avenue, dachte Carl mit einem Grinsen. Ein Wirtschaftssystem innerhalb eines Wirtschaftssystems. Kapitalismus in Reinform. USA, das Land der Freiheit, in dem die Straßen mit Gold gepflastert waren.
    Abgesehen davon, war dies hier sein Loch. Sein Ziel, das ihm zumindest für die nächsten zwölf Stunden Sicherheit bot. Hier würde die Polizei ihn nicht suchen. Da der Hausmeister als hinterlistiger Serbenmafioso auf seine Arbeit und seine Aufenthaltserlaubnis angewiesen war, würde er dieses Loch nicht verraten.
    Carl scheuchte das Mädchen mit seiner Waffe hinein, packte sie hinten an ihrem schmutzigen Bademantel und schob sie dorthin, wo er den Lärm eines Fernsehers hörte.
    In dem kleinen Zimmer schubste er sie auf einen blassen, kahlköpfigen Mann mit würdig aussehendem grauem Schnurrbart, der einem dunklen Jugendlichen die Haare mit einem elektrischen Rasierer schnitt.
    »Drago mi je« ,sagte Carl mit einem Lächeln. Es hieß in einer dieser verwirrenden Jugo-Sprachen: Freut mich, dich kennenzulernen. Oder so ähnlich. An diesen Mist erinnerte er sich aus seiner Dienstzeit in Osteuropa.
    Die Kinnlade des grauen Walrosses fiel nach unten. Warum auch nicht? Schock war wahrscheinlich die angemessene Reaktion, wenn ein mit schwarzem Fett verschmierter nackter Mann mit einer Waffe in der Hand vor einem stand. Im Fernseher in der Ecke lief eine Wiederholung von Full House. Einer der noch nicht magersüchtigen Olsen-Zwillinge gab einen frechen Spruch von sich.
    Carl wartete, bis das vorgefertigte Lachen einsetzte, bevor er das Mädchen in den Hinterkopf schoss, so dass es über den Schoss des sitzenden Jungen fiel. Der Alte bewies Mut und schleuderte Carl den surrenden Rasierer ins Gesicht. Mit einem Geräusch wie spritzendes Fett sauste er an Carl vorbei. Wieder lächelte Carl und schoss dem munteren alten Knacker genau in den stolzen, grauen Schnurrbart.
    Der Mann sackte in sich zusammen. Carl drehte sich um, wo der Junge noch immer auf dem Stuhl saß und die Hände flehend aneinandergelegt hatte, während das Mädchen auf seinem Schoß noch zuckte. Das Bild hatte etwas Künstlerisches und Machtvolles, strahlte hier in dem von einer nackten Glühbirne beleuchteten Raum eine gewisse Tragik aus wie eine billige, noch nicht fertige Pietà.
    »Drago mi je«

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