Todesstunde
Bestellung aufgeben wollten. Ich erkannte die Nummer zwar nicht, nahm das Gespräch aber trotzdem an.
»Detective Bennett, ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte eine Stimme mit französischem Akzent.
Es war Bergers Chefkoch, Jonathan Desaulniers, mit dem ich mich am Vormittag unterhalten hatte.
»Was ist los, Jonathan?«
»Es gibt da ein Mädchen, Paulina Dulcine«, begann er mit Panik in der Stimme. »Sie ist eine Freundin von mir. Und sie schlief mit Mr. Berger hin und wieder. Bitte entschuldigen Sie, dass mir das heute Morgen nicht einfiel. Sie trafen sich während der letzten drei Jahre immer mal wieder. Sie erwähnten, dass Mr. Berger vielleicht Menschen tötete, die ihn verärgert hatten, und nachdem ich mit Ihnen gesprochen hatte, fiel sie mir ein.«
»Sie hat ihn verärgert?«, fragte ich nach. »Wie? Was war passiert?«
»Eine Zeitlang führten sie eine Liebesbeziehung. Er kaufte ihr Schmuck. Doch eines Tages bat er sie, ihm etwas anzutun, was sie für seltsam hielt, und sie begann zu lachen. Er befahl ihr zu gehen, und seitdem trafen sie sich nie wieder. Ich glaube, Mr. Berger fühlte sich erniedrigt. Aber heute rief ich Paulina an. Während wir sprachen, hörte ich einen Schrei und dann nichts mehr. Seitdem geht sie nicht mehr ans Telefon.«
»Wie lautet ihre Telefonnummer und ihre Adresse?«, drängte ich und bedeutete Emily, mir zu folgen, während ich gleichzeitig aufsprang.
Zwanzig Minuten später hielten wir in Begleitung von zwei weiteren Detectives und zwei uniformierten Polizisten mit quietschenden Reifen vor einem dreißigstöckigen Gebäude in Battery Park City.
»Paulina Dulcine – ist sie zu Hause?«, schrie ich den Portier an, als wir hineinrannten.
Der schmale, weibisch wirkende Kiefer des Schwarzen fiel auf den Kragen seiner schwarzen Nehru-Jacke. »Paulina, äh, nein. Ich glaube, ich habe gesehen, wie sie ihre Wohnung verließ, als ich Kleidung aus der Reinigung ausgeliefert habe.«
»Sie hat das Haus nicht durch die Eingangshalle verlassen«, fügte die weibliche Angestellte neben ihm hinzu.
»Sie muss ihren Wagen aus der Tiefgarage geholt haben«, sagte der dünne Schwarze und öffnete eine Tür.
Wir rannten eine Treppe hinunter in eine düstere Betonhöhle. Der Portier deutete nach links in eine Ecke, in der sich die Autos drängten. »Das ist komisch. Dieser blaue Wagen dort, der Smart – der gehört ihr.«
Wir gingen zu dem kleinen Wagen. Ein Schlüssel steckte im Schloss. Emily kniete nieder und zog unter der Fahrerseite eine Handtasche hervor. Sie öffnete sie und nahm eine Gucci-Brieftasche heraus.
»Die Tasche gehört ihr, Mike«, stellte Emily fest. »Paulina Dulcine. Er hat sie sich geschnappt. Wir sind zu spät.«
82
Frustriert kehrten wir in unser Büro zurück. »In Quantico haben wir einmal einen Fall von einem Mörder-Duo besprochen«, berichtete Emily. »Ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Oden und Lawson. Einer war ein durchgeknallter Sexualverbrecher, der andere schizophren. Oden vergewaltigte die Frau und übergab sie Lawson, der sie tötete und verstümmelte. Jeder hatte seine eigene Sache am Laufen.«
»Und worauf willst du hinaus?« Ich war immer noch frustriert, weil wir Carl so knapp verpasst hatten.
»In diesem Fall tötet Apt Bergers Feinde auf eine Art, die Berger sich wünschte. Apt verhält sich genauso wie die Leute von diesem Bewirtungsunternehmen, die nur bestimmte Anweisungen befolgt haben. Das heißt, es ist alles auf Bergers Mist gewachsen, nicht auf Apts.«
»Du hast recht«, stimmte ich zu. »Auch wenn die Morde sadistisch wirken, sind sie es nicht. Sie sind inszeniert.«
»Genau, Mike. Apt wirkt wie ein kalter, berechnender, kompetenter Attentäter. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was für ihn dabei herausspringt. Geld? Vielleicht ist er auch nur verrückt. Wer weiß?«
»Nein«, widersprach ich. »Deine Idee kommt mir gar nicht so verkehrt vor. Für Apt springt sicher etwas dabei heraus. Das muss es sein.«
»Du klingst so sicher. Woher weißt du das?«
»Wegen der vierfachen Wurzel des Satzes vom hinreichenden Grund«, antwortete ich. »Für alles Wahrgenommene gibt es eine Ursache. Für alle Schlussfolgerungen gibt es eine Voraussetzung. Für alle Auswirkungen gibt es Ursachen. Für jedes Handeln gibt es ein Motiv.«
»Meine Güte, machen wir jetzt plötzlich einen auf Aristoteles?« Emily lächelte zum ersten Mal an diesem Nachmittag. »Oder stammt diese vierfache Wurzel von Thomas von Aquin, du irischer
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