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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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sich mit vollem Titel vorstellte, ließ die Schwester am Empfang sie sofort durch.
    Pearl hing an jedem nur vorstellbaren Monitor. Eine Krankenschwester überprüfte ihre Infusion.
    Â»Ich bin Dr. Hart«, stellte sich Clare vor. »Wie geht es ihr?«
    Â»Die erste Operation ist gut verlaufen, sie scheint stabil zu sein.«
    Clare griff nach der Krankenakte und sah sie kurz durch.
Sie war in abgekürztem Medizinerkauderwelsch verfasst, aus dem sie nicht schlau wurde.
    Â»Ein Wunder, dass er die Luftröhre verfehlt hat«, sagte die Schwester. »Ungewöhnlich für einen Montag, falls es der Freund war.« Sie strich Pearl die Haare aus dem Gesicht. »Ihre Hände waren völlig zerschnitten. Weil sie ihn abzuwehren versucht hat. Das wird nicht leicht zu heilen sein. Der Chirurg kommt später vorbei, um festzustellen, was sich von den Nervenbahnen noch retten lässt.«
    Â»Hat sie irgendwas gesagt?«
    Â»Nichts«, beschied ihr die Schwester. »Sie steht unter schweren Beruhigungsmitteln, bis die Gehirnschwellung zurückgeht. Sie wird durchkommen, glaube ich. Eine richtige kleine Kämpferin, diese Pearl.«
    Â»Das ist sie allerdings«, bestätigte Clare.
    Die Schwester ging zum nächsten Patienten weiter, und Clare setzte sich neben Pearls Bett, wo sie noch einmal die SMS öffnete, die Pearl ihr in der vergangenen Nacht geschrieben hatte.
    Hey Doc. Tut mir leid, wird später. SWIM.
    Anfangs hatte sie die Nachricht ignoriert und darauf gewartet, dass der Rest ebenfalls übertragen wurde. Aber mehr hatte Pearl nicht eingetippt.
    Clare probierte alle Alternativen für SWIM durch, mit ein- und ausgeschaltetem Wortfindungsprogramm. Sie schaltete den Wortschatz auf Afrikaans um. Nichts ergab einen Sinn.
    Â»Was wolltest du mir damit sagen, Pearl?«, flüsterte sie.
    Montagnachmittag. Siebzehn Uhr dreißig.
    Â»Inzwischen ist Yasmin seit drei vollen Tagen verschwunden. Und Calvaleen hat nach dir gesucht.« Clare nahm Pearls verbundene Hand. Die Nägel waren bis aufs Blut abgekaut. »Du weißt, wo sie ist, Pearl. Wer weiß es noch? Weiß es dein Vater?«

    Die Antworten direkt vor ihr, in Pearls verstummtem Bewusstsein, aber die einzige Antwort, die Clare bekam, war das leise Klicken und Piepsen der Maschinen.

Sechsundfünfzig
    Clare häufte ihren Laptop, die Notizen und Unterlagen auf den Küchentisch und spürte, wie Fritzi sich zwischen ihren Füßen durchschlängelte, während sie Wasser aufsetzte. Sie nahm die Katze hoch und streichelte sie, während sie gleichzeitig versuchte, einen Gedankenfaden herauszukitzeln, an dem sich das ganze Knäuel auflösen ließ.
    Dann setzte sie sich hin, die Katze auf dem Schoß, und arrangierte alles, was sie hatte, um sich herum. Ging alles noch einmal durch. Und noch einmal. Die Telefonliste aus der Ballettschule. Die Lehrer. Die Eltern.
    Nein. Niemand hatte irgendwas gesehen.
    Ja, sie kannten das Mädchen, sie war so begabt. Sie wussten, dass sie vermisst wurde. Schließlich stand es in allen Zeitungen, aber solche Sachen passierten solchen Kindern öfter.
    Was für Kindern?
    Armen Kindern, war die Antwort. Schwer im Auge zu behalten, leider, nachdem beide Eltern Schicht arbeiteten.
    Einer der Väter hatte die Handynummer von Yasmins Vater eingespeichert. Weil er glaubte, dass es im Notfall ganz praktisch sein könnte, einen Polizisten zu kennen. Schließlich war es immer möglich, dass man – Gott bewahre – leicht beschwipst in eine Verkehrskontrolle geriet. Und am Freitagabend wollte man bestimmt nicht in der Arrestzelle landen. Er hatte mit dem Captain auf einer Elternversammlung einen
Whisky getrunken. Mit ihm übers Angeln geplaudert. Die Schinkensandwiches hatte er nicht gegessen. Ein Moslem, verstehen Sie, aber ganz und gar nicht radikal.
    Wirklich sehr besorgniserregend, schließlich hatten sie alle Töchter und so weiter. Ja, natürlich würden alle anrufen, wenn ihnen noch etwas einfiel.
    In Wahrheit war es einfacher, wenn man nichts sah. Und selbst wenn, war es einfacher, sich nicht zu erinnern. Und sicherer. Sie probierte es ein letztes Mal bei Calvaleen van Rensburg. Eine elektronische Stimme bat sie, es später noch einmal zu versuchen, weil der Teilnehmer zurzeit nicht zu sprechen sei. Eine Nachricht hinterlassen konnte sie nicht. Sie probierte es bei Calvaleen zu Hause. Niemand nahm ab, Latisha war unterwegs.

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