Todestanz
Bauch.
Neunundfünfzig
»Phiri hat gesagt, dass du hier sein würdest.« Riedwaan, erleichtert, als Clare den Türöffner drückte.
»Erzähl mir, was passiert ist«, verlangte sie.
»Clinton van Rensburg hat mich freigelassen. Auf Phiris Befehl hin. Aber er warnte mich, wenn ich Unterstützung haben wolle, müsse ich ihm alles übergeben, was ich bisher herausgefunden habe. Eigentlich soll ich zu Hause bleiben und mich aus allem raushalten.«
»Und hast du Van Rensburg alles übergeben?«
»Alles, was ich zu dem Zeitpunkt hatte. Hätte auf eine Visitenkarte gepasst.«
»Die Heroinakten?«, fragte Clare.
»Die auch«, sagte er. »Das hat ihn umgehauen.«
»Hatte er irgendwas mit diesen Fällen zu tun?«
»Nicht direkt«, meinte Riedwaan. »Er ist nicht mehr im aktiven Dienst. Inzwischen befasst er sich vor allem mit Einsatzplanung, Human Resources und Korruptionsbekämpfung. Solchen Sachen. Van Rensburg ist ein Fanatiker. Er mag es nicht, wenn etwas in Unordnung gerät. Und die Sache mit den Heroinfällen wird geklärt werden müssen, wenn â¦Â« Riedwaan zog seine Zigaretten heraus. »Wenn alles vorbei ist.« Er knüllte die leere Packung zusammen und warf sie in den Mülleimer. »Ich brauche neue. Soll ich dir irgendwas mitbringen?«
»Eine Cola, bitte.«
Riedwaan blieb vor der Karte stehen und verfolgte die Verbindungslinien zu den Zusammenfassungen der Erkenntnisse, die Clare für jedes der kleinen Mädchen erstellt hatte. Die abgeschnittenen Leben, die wenigen Details. Name, Geburtsdatum, Todesdatum und -ursache.
Yasmin war auch aufgeführt. Noch nicht als tot markiert.
»Sie ist inzwischen seit über zweiundsiebzig Stunden verschwunden. Wenn sie nicht meine Tochter wäre, wüsste ich genau, was das hier ist«, sagte Riedwaan an der Tür. »Eine Mordermittlung.«
Clare brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass das eigenartige Geräusch aus Riedwaans Handy kam. Er hatte es zusammen mit seiner Jacke auf ihrem Schreibtisch liegen lassen.
Als er zurückkam, reichte ihm Clare das Telefon. »Das ist vorhin durchgekommen.«
»Ein Video«, stellte Riedwaan fest. Eine unbekannte Stimme schallte durch Clares Arbeitszimmer.
»Zeit zum Tanzen, Daddyâs Girl.«
Die Anweisung aus dem Off.
» Tanz für deinen Daddy.«
Auf dem Bildschirm war Yasmin zu sehen, hohlwangig und mit verfilztem Haar. Sie hob die Arme über den Kopf und begann zu tanzen.
»Sing auch für ihn. Zeigâs ihm, Baby Girl, vielleicht kann er dich dann endlich finden.«
Sie begann zu singen. Dünn schnitt ihre Stimme durch das abgedunkelte Zimmer.
Â
»Erst war ich eins, war gerade erst deins.
Dann war ich zwei, und noch so gut wie neu.
Dann war ich drei, was ist schon dabei?
Dann war ich vier und schon länger hier.
Dann war ich fünf und kam in die Strümpfâ.
Jetzt bin ich sechs und kann schon bald schreiben.
Ich glaube, sechs will ich immer bleiben.«
Â
Das Kind hielt langsam und unsicher an. Dann sackte es zu
Boden; die Halswirbelsäule verschwand wie eine dünne, feine Gliederkette unter Yasmins Trikot. Metall quietschte, eine Tür ging auf.
Die Verbindung brach ab, und es wurde still.
»Das wurde schon früher aufgenommen. Sieh dir die Lichtstrahlen an, das sind Sonnenstrahlen«, merkte Clare an.
Riedwaan blickte in die mondlose Nacht hinaus. »Und es muss heute Nachmittag gewesen sein. Sonst war die Sonne seit Freitag nicht zu sehen.«
»Lass mich das runterladen«, bat sie. »Vielleicht können wir auf meinem Laptop noch mehr Details erkennen.«
Sie drückte wieder auf Play.
Die Anweisungen des Mannes. »Zeit zum Tanzen, Daddyâs Girl. Tanz für deinen Daddy.«
Riedwaan legte die Hand auf den Monitor und berührte das geisterhafte Abbild seiner Tochter.
»Das hat sie bei ihrem letzten Eisteddfod aufgeführt«, flüsterte Riedwaan. »Dafür hat sie Gold bekommen.«
»Hat sie darum dieses Stück ausgesucht?«
Riedwaan schüttelte den Kopf. »Das ist eine Botschaft an mich«, erklärte er. »Damals kam ich gerade noch rechtzeitig zu ihrem Auftritt. Yasmin sah mich in der Tür stehen. Ich glaube, die Medaille hat sie vor allem wegen ihres Lächelns bekommen. Sie brachte die ganze Bühne zum Leuchten.«
In dem überwältigenden Bedürfnis,
Weitere Kostenlose Bücher