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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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blickte auf die Lichter in den Wohnungen auf der anderen Straßenseite. Nur ein Streifenwagen rollte die Beach Road entlang, um alles zu kontrollieren. Es war nicht viel los. Ein Montagabend, ruhig.
    Der Streifenwagen wendete, kehrte zurück und hielt an einer roten Ampel. Die Nummer des Einsatzfahrzeugs prangte auf dem Autodach, so groß, dass man sie notfalls vom Hubschrauber aus lesen konnte.
    Als der Streifenwagen anfuhr, saß Clare schon wieder am Computer.
    Von Kopf bis Fuß angespannt spielte sie den Clip wieder ab. Diesmal ohne Ton. Immer wieder hielt sie den Film an und zoomte so nah heran, dass sich das kleine, auf dem Boden zusammengebrochene Mädchen in einzelne Pixel auflöste. Clare zoomte an ihr vorbei und zog eine Metallkiste an der Wand hinter ihr in die Bildmitte.
    Sie hatte es.
    Â»Riedwaan!« Ihr drängender Tonfall ließ ihn mit einem Handtuch um die Hüfte aus der Dusche kommen.
    Â»Sieh dir das an.« Sie tippte auf die alten Ziffern – längst vergessen, nachdem das Gebäude aufgegeben und der Strom abgeschaltet worden war.
    Â»Ein Stromzähler?«
    Clare hob die Hand und hatte schon das Telefon am Ohr.

    Â»Charlie?«
    Â»Hey, Doc.«
    Â»Ihr Hackerfreund. Er kommt doch an die städtischen Datenbanken ran, oder?«
    Â»Kommt drauf an.« Charlie wollte sich nicht aus der Deckung wagen.
    Â»Für Yasmin«, drängte Clare.
    Sie nahm Charlies Schweigen als Zustimmung.
    Â»Riedwaan!«, rief sie aus. »Wir haben sie gefunden.«

Sechzig
    Â» Ich heiße Yasmin. Ich heiße Yasmin. Ich heiße Yasmin.«
    Das kleine Mädchen spricht dem Vogel in seinen Händen dieses Mantra vor. Yasmin atmet durch den Mund, um den Gestank ihres Gefängnisses auszublenden.
    Â»Schlaf schön, kleines Baby.«
    Die Worte ihres Vaters, leise geflüstert, weil seine Stimme in ihrem Kopf immer schwächer wurde.
    Sie presst das Gesicht auf die Knie, gibt sich selbst einen Trostkuss, spürt den geisterhaften Druck seiner Hände auf ihren Rippen, als er sie hoch über seinen Kopf hebt, bis sie laut lachen muss.
    Ihre Tränen sind heiß und nass, aber die Spur, die sie auf ihren Wangen hinterlassen, ist kalt. Yasmin hebt den Kopf. Ist es immer noch so dunkel? Das Licht bringt Geräusche mit. Wenn es Ramadan wäre, wären sie alle um diese Zeit schon auf, und es würde nach Essen riechen.
    Der Gedanke ans Essen schneidet wie eine Klinge durch Yasmins Magen.
    Aber das Licht bringt auch den Mann zurück.

    Sie fängt wieder an; während sie sich vor und zurück wiegt, hört sie in ihrem Kopf das Lob ihres Daddys, dass sie ein tapferes Mädchen ist.
    Ihr Daddy kommt bestimmt.
    Ganz bestimmt.
    Ganz bestimmt.
    Er weiß immer, wo er suchen muss, wenn sie Verstecken spielen. Jetzt spielt sie zwar nicht, aber er wird trotzdem nach ihr suchen, und später wird er ihr genau zeigen, wieso er wusste, dass sie sich unter dem Bett oder im Baum oder im Nachbarhaus versteckt hat. Er weiß immer, wonach er suchen muss, ihr Daddy.
    Irgendwo in der Ferne ein Auto.
    Als sie das Geräusch zum ersten Mal hörte, hat ihr Herz einen Schlag ausgesetzt, aber es ist zu weit weg und hört sich viel zu schnell an. Wahrscheinlich ist irgendwo da draußen eine Straße. Keine Ampeln und Stoppschilder, denn alle Motoren sirren vorbei wie dahinjagende Moskitos.
    Sie beugt sich über den Vogel, den sie in ihrer Hand hält.
    Die Tauben, die Spatzen.
    Das Knarren des Daches.
    Fremde Geräusche, inzwischen vertraut.
    Das Quietschen von Metall, als ein Riegel zurückgezogen wird, jagt ihr durch den Rücken und blendet den Hunger aus. Sie presst sich in die dunkelste Ecke der rechteckigen Grube. Die Tauben scharren und gurren.
    Yasmin lauscht den Schritten und hält Ausschau nach der Silhouette eines Mannes vor dem trüben Licht.
    Zigarettenrauch. Ganz nahe.
    Ein Auto, näher als sonst.
    Sie stellt sich auf die Zehenspitzen, späht ins Zwielicht und spürt das kleine Vogelherzchen, das wie wild unter ihren Fingern pocht.

Einundsechzig
    Clare sah kurz zu Riedwaan auf und notierte, was Charlie Wang ihr diktierte. »Wenigstens ein Anfang«, sagte sie und zog den Stadtplan von der Wand. Sie breitete ihn auf dem Tisch aus und trug die Koordinaten ein.
    Â»Maitland«, sagte Clare. »Coronation Road.«
    Riedwaan hatte schon seine Jacke an. Clare ging ihre holen, öffnete den Safe neben ihrem Bett und spürte,

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