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Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Titel: Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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die weiße und die blaue. Als das Zucken abebbt, kann ich den Rasierer wieder halten und meine Schuhe zuschnüren. Knöpfe finden die passenden Löcher, Reißverschlüsse lassen sich ohne Mühe schließen. Der Tremor ist unter Kontrolle, auch wenn mein linker Arm gelegentlich zu seiner eigenen La Ola nach oben schnellt.
    In den sechs Jahren, seit die Krankheit diagnostiziert wurde, bin ich zu einer Übereinkunft mit Mr. Parkinson gekommen. Ich leugne nicht länger seine Existenz oder bilde mir ein, der Stärkere zu sein. Diese Wahrheit anzuerkennen war eine demütigende Erfahrung – so als würde man sich einer höheren Macht beugen.
    Mein Zustand ist noch nicht fortgeschritten, doch jeder Tag ist ein Balanceakt mit meinen Medikamenten, deren Einnahme penibles Timing erfordert. Zu viel Levadopa, und ich schwanke und torkele, unfähig, einen Raum zu durchqueren, ohne jede seiner Ecken besucht zu haben. Zu wenig, und ich komme stotternd zum Stehen wie ein Motor ohne Öl.
    Sportliche Betätigung wird empfohlen, deshalb mache ich jeden Morgen einen Spaziergang, eher schlurfenden als forschen Schrittes und nicht bei jedem Wetter. Regen meide ich. Ich ziehe einen Pullover über meinen Kopf, trete hinaus und ziehe die Tür zu. Ein Traktor rumpelt den Mill Hill hinauf und zieht einen leeren Pferdeanhänger hinter sich her. Der Fahrer ist Alasdair Riordan, ein einheimischer Bauer. Seine Unterarme zittern am Steuer.
    »Haben Sie schon gehört?«
    »Was denn?«
    »Ray Hegarty ist tot. Angeblich hat seine Kleine ihn erstochen. Das muss man sich mal vorstellen.«
    Er atmet eine blasse Wolke aus und nimmt kopfschüttelnd
den Fuß von der Kupplung, sodass der Traktor sich ruckelnd in Bewegung setzt. Das muss die längste Unterhaltung gewesen sein, die ich je mit Alasdair Riordan geführt habe – ein Mann von wenigen Worten und noch weniger Gedanken.
    Gunsmoke ist schon den Hügel hinunter verschwunden und leistet, im Unterholz an Bäumen und Löchern im Boden schnuppernd, Geländeaufklärung. Als ich die Brücke erreiche, sehe ich Polizeiband, das um Bäume gewickelt und entlang beider Ufer gespannt ist. Ich erinnere mich, wie ich Sienna gefunden und das weite Stück getragen habe. Es scheint Wochen her zu sein. Dabei sind nicht einmal zwölf Stunden vergangen.
    Auf einem Feld am anderen Ufer rennt Gunsmoke einem hoppelnden Kaninchen hinterher, das viel zu flink für ihn ist und mit einem Haken nach rechts und nach links in einem Loch verschwindet. Einmal hat er tatsächlich ein Kaninchen erwischt, was ihn offenbar selbst so überraschte, dass er es wieder laufen ließ. Vielleicht ist er ein Gegner des blutigen Jagdsports, womit er in dieser Gegend ein Kuriosum wäre.
    Hin und wieder kommt er mit heraushängender rosa Zunge zu mir zurückgerannt und erwartet Anweisungen. Er blickt zu mir auf, als wäre ich der Weiseste der Weisen. Wären meine Kinder doch nur ähnlich beeindruckt von meiner Intelligenz. Beruhigt rennt er wieder los und schnuppert an jedem Kuhfladen und Grasklumpen.
    Gunsmoke hat mir die letzten beiden Jahre leichter gemacht. Er bewertet mich nicht, so wie ich mich selber bewerte. Er holt mich aus dem Bett und sorgt dafür, dass ich mich bewege. Er isst meine Reste, passt auf Emma auf und ist Anknüpfungspunkt für Gespräche mit anderen Menschen.
    Ich laufe eine Meile über die Felder und folge der alten Eisenbahnstrecke, bevor ich kehrtmache und meinen Abdrücken auf dem taufeuchten Gras zurückfolge. Dabei denke ich an Ray Hegarty, einen Mann, den ich kaum gekannt habe.
    Einmal habe ich mitbekommen, wie er im Fox & Badger in
eine Schlägerei verwickelt wurde. Eines Freitagabends kam eine Gruppe von sechs Motorradfahrern in die Kneipe, direkt nach der Ziehung der Tombola des Rugby-Vereins. Ray hatte die Schlachtplatte gewonnen und saß mit seinem Preis an einem Tisch. Der Anführer der Motorradfahrer baute sich vor ihm auf und forderte ihn auf beiseitezurücken.
    »Es sind doch noch jede Menge Plätze frei«, erwiderte Ray.
    Der Motorradfahrer musterte ihn, und was er sah, gefiel ihm. Er irrte sich.
    Er beugte sich über den Tisch und spuckte lässig in Rays Cidre. Noch ehe er sich wieder gerade aufrichten konnte, hatte Ray ihn mit einer Hand am Hals gepackt und mit der anderen das Glas zerschlagen und den scharfkantigen Boden an seine Kehle gedrückt.
    »Ihr seid zu sechst«, flüsterte er ihm ruhig ins Ohr, »und ich bin allein. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass ich nicht überlebe, aber die Sache ist

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