Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
gibt keine Monster.«
»Das erklärst du Emma jedenfalls immer.«
»Es stimmt.«
»Ich weiß, aber ich hatte erwartet, dass er anders ist. Ich habe das Gefühl, als ob er mir in den letzten Wochen richtig
vertraut geworden ist. Ich habe ihn jeden Tag gesehen – und er ist immer perfekt angezogen und unglaublich höflich. Er nickt und lächelt den Gerichtsangestellten zu. Er verbeugt sich, wenn die Geschworenen den Gerichtssaal betreten. Er hat lange Wimpern wie ein Mädchen und unglaublich blaue Augen. Arktisch blau. Ich kann förmlich den Schnee über sie hinwegwehen sehen. Da kommt man ins Grübeln.«
»Worüber?«
» Ob er wirklich diesen Brandanschlag verübt … und die Familie getötet hat.« Sie zögert, sucht nach Worten. »Die anderen Angeklagten sehen aus wie Schläger und Rocker, grinsend und feixend. Novak wirkt beinahe gelassen. Er zappelt nicht oder rutscht auf seinem Platz herum. Er zeigt praktisch nie eine Gefühlsregung, außer wenn er zu seiner Schwester auf der Besuchergalerie blickt. Sie war bis jetzt jeden Tag da.«
»In welche Richtung neigen die Geschworenen?«
Julianne zuckt die Achseln. »Das kann man noch nicht sagen. Bis jetzt hatte nur die Anklage das Wort.«
Sie blickt in ihre Speisekarte, was mir Gelegenheit bietet, sie direkt anzugucken, ohne dass sie verlegen wird.
»Starrst du mich wieder an?«
»Nein.«
»Gut. Und was wollen wir wegen Charlie unternehmen?«
»Es wird nicht zu einer Anzeige kommen.«
Sie wirkt überrascht. »Das ist toll. Wie das?«
»Ronnie Cray hat das geregelt.«
»Du hast irgendeinen Deal mit ihr gemacht.«
Ich sage nichts. Normalerweise würde Julianne gegen die Idee protestieren, aber diesmal schweigt sie.
»Wie geht es Sienna?«, erkundigt sie sich mit neuer Sorge.
»Sie steckt in großen Schwierigkeiten.«
»War sie es?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte sie einen Grund.«
Unser Essen kommt, und wieder hat Julianne die Lotterie der
Bestellung gewonnen. Ihre Wahl sieht gesünder und appetitlicher aus. Sie wird die Hälfte essen und den Rest auf ihrem Teller hin und her schieben.
»Und was wollen wir wegen Charlie unternehmen?«, fragt sie zwischen zwei Happen.
»Sie hat einen Fehler gemacht.«
»Sie hat gegen das Gesetz verstoßen! Ich habe heute mit der Beratungslehrerin gesprochen, sie empfiehlt einen Therapeuten in Bath.«
»Ich bin selbst Psychologe.«
Julianne legt ihre Gabel ab. »Du bist ihr Vater. Ich bin sicher, dass es da irgendwo einen Interessenkonflikt gibt.«
Sie hat natürlich recht, aber die Vorstellung, dass meine Tochter mit einem Fremden spricht und ihm Dinge offenbart, die sie ihren Eltern nie erzählen würde, widerstrebt mir trotzdem.
»Wie heißt er?«
»Robin Blaxland.«
»Ich könnte mich ein bisschen umhören.«
»Ohne ihn zu verschrecken?«
»Nein.«
»Wir müssen sie trotzdem bestrafen«, sagt Julianne.
»Ich habe das Video des Tathergangs gesehen. Sie hat versucht, den Fahrer zu bezahlen, hatte jedoch nicht genug Geld. Sie ist erst in Panik geraten, als er die Türen verriegelt hat. Ich glaube, sie hatte Angst, es würde wieder passieren und sie würde wieder entführt.«
»Sie hätte nie ohne Erlaubnis ins Krankenhaus fahren dürfen. «
»Ich weiß. Vielleicht sollten wir ihr ein paar Wochen Hausarrest geben.«
»Nach der Schule direkt nach Hause.«
»Hart, aber gerecht.«
Ich mag es, so mit Julianne zu reden, unsere Ängste und kleinen
Triumphe zu besprechen, die unkalkulierbaren Alltäglichkeiten des Familienlebens. Sie streicht mit ihren langen Fingern über den Stiel ihres Weinglases.
»Möchtest du Samstagabend essen gehen?«, frage ich.
»Ich kann nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich gehe aus.«
»Mit wem?«
»Harry Veitch.«
Mein Herz macht einen zappelnden Satz wie ein Fisch am Haken. Harry ist ein Architekt. Reich. Geschieden. Eins seiner Häuser wurde in Grand Designs vorgestellt, womit er wohl eine Art Prominenter ist, ein »VIP«. Er hat eine Tochter in Charlies Alter, die bei ihrer Mutter lebt. Ihr Name fällt mir nicht ein.
»Wie lange seid ihr schon …«
» Gar nicht. «
»Das ist also euer erstes Date?«
»Es ist kein Date .«
Sie klingt gereizt. Sie erwartet, dass ich eine abfällige Bemerkung mache. Ich blicke auf mein Essen, habe aber keinen Appetit mehr. Das hatte ich nicht erwartet. Nicht einmal in Erwägung gezogen. Er ist der Typ grobknochiger ehemaliger Rugbyspieler, der nach dem Ende seiner aktiven Karriere mit seinem Gewicht kämpft, ohne sein
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