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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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offenbar falsch gelegen.
    Der Geistliche trat hinter den Altar und sagte: »Wir werden Will Jensen schmerzlich vermissen … «
    Joe hatte Stella Ennis nicht in die Kapelle kommen sehen, doch als er während des Gottesdienstes den Blick schweifen ließ, war sie da. Sie war allein in eine Bank geschlüpft und saß zwei Reihen vor Joe auf der anderen Seite des Gangs. Er beugte sich vor, um sie besser sehen zu können.
    Sie war jünger als am Vorabend vermutet, und auch schöner. Er musterte ihr Profil: markantes Kinn, kecke Nase, voller Mund, dunkel geschminkte Lippen, glatte, feste Wangen, leicht mandelförmige Augen unter kastanienbraunem Pony. Sie sah nach vorn zum Altar, und ihre Schultern fingen an zu beben. Sie senkte den Kopf, sodass ihr dichtes Haar das Gesicht verdeckte. So blieb sie mehrere Minuten, und als sie zu ihm rüberschaute, schimmerten Tränen in ihren Augen.
    Den Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, konnte Joe nur elektrisch nennen. Er glaubte Traurigkeit in ihrem Blick zu erkennen, Verwirrung und seltsamerweise auch Mitleid. Als hätte sie gemerkt, dass sie ihre Gefühle allzu offen zeigte, schaute sie rasch weg.
    Warum mochte Stella Ennis zum Trauergottesdienst erschienen sein? Und warum weinte sie?

12. KAPITEL
    »Fällt Ihnen am Essen das Gleiche auf wie mir?«, fragte Pi Stevenson auf der Trauerfeier, die im kleinen Konferenzsaal einer Hotelkette nahe dem Bestattungsinstitut abgehalten wurde.
    Joe hatte nicht registriert, dass sie hinter ihm in der Schlange stand. »Was denn?«
    »Kein Fleisch.« Sie zog triumphierend die Augenbrauen hoch.
    Joe musterte den Tisch und seinen Pappteller: Cracker, Käsewürfel, Sellerie, Karotten, Soße.
    »Hab ich gar nicht gemerkt.«
    »So was springt mir gleich ins Auge«, sagte sie. »Allerdings gibt es Käse, also ist es nicht vegan.«
    »Hmm«, entgegnete Joe, nahm einen Pappbecher mit roter Bowle und nippte daran. Da sie ihm nicht schmeckte, stellte er den Becher wieder beiseite.
    »Ehe Will sich umgebracht hat, soll er sich den Bauch mit Fleisch vollgeschlagen haben«, flüsterte Pi. »Vermutlich gibt es hier deshalb keins. Haben Sie davon gehört?«
    »Nein.«
    »Ich schon.«
    »Ich auch«, sagte Birdy, der sie belauscht hatte.
    Joe wusste nicht, was er darauf erwidern sollte – und ob er das überhaupt wollte. Pi und Birdy schienen eine Verbindung zwischen dem zu sehen, was Will gegessen und was er getan hatte.
    Am anderen Ende des Saals stand Susan Jensen, von Trauergästen umringt. Joe wollte warten, bis sich die Leute wieder verteilt hatten, um dann mit ihr zu reden. Ihre Kinder standen bei den Großeltern und versuchten, stillzuhalten und sich anständig zu benehmen. Doch so wie alle Jungen in ihrem Alter taten sie sich damit schwer.
    Ihm fiel auf, dass Smoke nicht zur Trauerfeier gekommen war – ebenso wenig wie Stella Ennis. Sheriff Tassell dagegen und seine Hilfssheriffs luden sich die Teller gerade zum dritten Mal voll.
    Als Joe sich umsah, hielt Birdy ihm eine Visitenkarte hin: Wildwasserfotografie. Mit vollem Namen hieß er Trenton »Birdy« Richards.
    »Ich helfe im Geschäft aus«, sagte Pi und zeigte auf die Karte.
    »Ich weiß es zu schätzen, wie Sie uns gestern behandelt haben«, erklärte Birdy. »Das war zivilisiert. Falls Sie also mal auf dem Fluss sind, mit Ihrer Familie oder so, und Sie möchten eine hübsche Aufnahme von sich im Wildwasser, geben Sie mir Bescheid. Sie bekommen Rabatt.«
    Joe steckte die Karte ein. »Sie stehen am Ufer und knipsen Wildwasser-Rafter?«
    Birdy schnaubte. »So war es ganz am Anfang. Inzwischen geht alles automatisch. Fotozellen an den Booten aktivieren die Digitalkamera, und nachmittags lade ich die Bilder runter. Wenn die Rafter an Land gehen, sind die Aufnahmen schon fertig.«
    »Interessant«, erwiderte Joe, um irgendetwas zu sagen.
    »Ziemlich clever ist das«, meinte Birdy selbstzufrieden.
    »Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte Joe, als er den Sheriff sah, und ließ Pi und Birdy stehen.
    Tassell sah auf, als Joe auf ihn zukam, aß aber weiter seine Cracker mit Käsewürfeln. Seine Feindseligkeit war mit den Händen zu greifen. Vermutlich das typische Revierverhalten, das Joe von allen County-Sheriffs, denen er je begegnet war, kannte.
    »Ich würde gern im Laufe des Tages Zugang zur Dienstwohnung der Jagd- und Fischereibehörde bekommen.« Joe sprach absichtlich nicht von Will Jensens Haus . »Ich konnte im Büro keinen Schlüssel finden, und ich vermute, Sie sind mit der Wohnung

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