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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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seines Wassers fließt in den Atlantik, der andere Teil in den Pazifik. Er sagte, das sei die herrlichste Wiese, die er je gesehen habe. Dort an dem Baum soll seine Asche verstreut werden.«
    Erst jetzt begriff Joe, worum sie ihn bat.
    »Ich würde es nie bis dort oben hinaufschaffen«, fuhr sie fort. »Ich möchte das nicht mal versuchen. Aber es liegt in Ihrem neuen Bezirk, und vermutlich werden Sie hinfinden.«
    »Das werde ich. Es ist mir eine Ehre.« Die Gegend war ihm von der Landkarte in Wills Büro vage bekannt. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist mehr als genug, Joe. Ich gebe Ihnen meine Nummer in Casper, falls es Ihnen nichts ausmacht, mich anzurufen, wenn Sie das erledigt haben.«
    Die Urne erinnerte an einen Maßkrug. Als er sie zu seinem Pick-up trug, staunte Joe über ihr geringes Gewicht und überlegte verschämt, wie die Asche wohl aussehen mochte (braun, grau oder weiß?). Neben ihm hielt ein hochgebockter Pontiac voller Teenager. Das Seitenfenster glitt herunter und einer der Jugendlichen streckte plump seinen Kopf heraus. »Eh, Alter, wo geht’s hier zur Party?«

13. KAPITEL
    Um Viertel vor fünf betrat Joe das Büro der Polizeidienststelle von Teton County und sagte der Frau am Empfang, er sei gekommen, um mit Sheriff Tassell zu sprechen. Sie erwiderte, dieser sei gerade in einer Besprechung und dürfe nicht gestört werden. Im Flur hinter ihr befanden sich mehrere geschlossene Türen, und hinter einer dieser Türen waren Stimmen zu hören.
    Joe war verärgert. »Wann wird er Zeit haben?«
    »Das hat er nicht gesagt.«
    »Hat er eine Nachricht für mich hinterlassen? Oder Schlüssel?«
    »Auf welchen Namen bitte?«, fragte die Empfangsfrau verschmitzt.
    Er stellte sich vor.
    »Nein, ich habe nichts für Sie.«
    Joe überlegte, ob er warten sollte, und sah sich in dem kleinen Empfangsbereich um. Es gab zwei Stühle. Auf dem einen saß ein kräftiger Mann in Khakihose, Poloshirt, Jacke und leichten Wanderstiefeln. Der ist nicht von hier, dachte Joe, sondern ein zugeknöpfter Städter, der wie ein lässiger Naturfreund wirken möchte. Der Mann erwiderte Joes Blick, als wollte er ihn dazu herausfordern, sich auf den Platz neben ihm zu setzen.
    »Warten Sie auch auf den Sheriff?«, fragte Joe.
    »Möglich.« Er wirkte verspannt. Dann bemerkte er das winzige Headset und das dünne Kabel, das im Kragen des Mannes verschwand.
    »Sind Sie vom Geheimdienst?« Ihm fiel ein, dass Tassell eine Besprechung erwähnt hatte, in der es um den Besuch des Vizepräsidenten ging.
    »Möglich. Ich schätze, das wird noch etwas dauern.«
    Damit war das Gespräch für ihn beendet. Joe warf der Frau am Empfang einen kurzen Blick zu, doch die war plötzlich in eine Illustrierte vertieft und reagierte nicht.
    »Wenn Sie den Sheriff sehen«, meinte er zu ihr, »sagen Sie ihm, er soll mich anrufen.« Er schrieb seine Handynummer auf eine Visitenkarte und überreichte sie ihr. »Falls er sich nicht bei mir meldet, muss ich ihn später zu Hause belästigen.«
    Sie nahm Joes Karte kommentarlos entgegen.
    Der Mann vom Geheimdienst musterte ihn gelassen und wandte sich dann von ihm ab, als wollte er sagen: »Weggetreten!«
    Er verließ die Stadt in Richtung Norden und hielt auf einem Parkplatz mit Blick auf den Fluss. Die Urne mit Will Jensens Asche stand gesichert auf dem Beifahrersitz, dort, wo eigentlich Maxine hätte liegen sollen. Sie sorgte dafür, dass er sich auf makabre Weise unwohl fühlte.
    Im Gegenlicht der untergehenden Sonne glichen die Tetons schwarzen Sägezähnen vor einem sich purpurn verfärbenden Himmel. Durch das goldene Herbstlaub der Espen sah Joe ein blaues Gummifloß mit Touristen in Rettungswesten den Snake River hinuntergleiten. Als der Ausflugsleiter an den Rudern seine Gäste auf etwas aufmerksam machte, folgte Joe seiner Armbewegung und entdeckte in der Krone einer alten Pyramidenpappel ein Weißkopfseeadlernest, so großwie ein Pkw. Er nahm sein Fernglas und konnte zwei Jungvögel erkennen. Die Mutter spazierte auf dem Nestrand, und der Nachwuchs öffnete die Hakenschnäbel mit ihren rosafarbenen Gaumen.
    Das ließ Joe an Nates Raubvögel denken. Und an Saddlestring. Und daran, dass er besser mal zu Hause anrufen sollte. Er nahm das Handy aus der Halterung und drückte auf Kurzwahl.
    Nach dem fünften Läuten hob Lucy ab.
    »Kann ich mit deiner Mom sprechen?«, fragte er nach einer langen Geschichte über einen Vertretungslehrer, der gesagt hatte, er

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