Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
der Schütze auch der Mörder des ersten Hovermann war,
richtig?«
»Das ist reine
Spekulation, immerhin ist unser Heckenschütze schließlich ebenfalls zum Opfer
geworden. Es gab also noch eine dritte Person, die ebenfalls getötet haben
muss. Außerdem ist das erste Opfer mit einem Messer ermordet worden und nicht
mit einem Gewehr.« Ich schaute wieder auf den Zettel. »Wer war das erste
Todesopfer?«
»Ich bin mir
ziemlich sicher, dass es der Jüngere von beiden war, also Thomas Hovermann.«
Sie ging in die Küche und kam mit zwei Gläsern und einer Wasserflasche zurück.
Während Cornelia die Gläser füllte, entwarf sie weitere Szenarien. »Es ist
natürlich auch denkbar, dass die beiden Hovermanns sich dort heimlich treffen
wollten, und Horst kam zu spät zum Termin. Er sah den toten Großcousin und
hielt uns für die Mörder.«
»Das würde
jedenfalls erklären, warum er sofort auf uns geschossen hat«, ergänzte ich ihre
Überlegungen. »Es ist wahrscheinlicher, dass ein Mörder um den Hof schleicht,
als dass sich ganz zufällig zwei Leute entschlossen haben, in dieser Nacht und
an dieser Stelle jemanden umzubringen.«
Sie sah mich mit
ihren Kinderaugen an. »Meinst du, es läuft jemand herum, der nun alle
Hovermanns meuchelt?«
»Zunächst einmal
sind zwei Menschen getötet worden. Möglich, dass ihr Tod gar nichts mit den im
Buch geschilderten Ereignissen zu tun hat, sondern dass sie deswegen nur beide
an diesem Ort aufgetaucht sind. Vielleicht standen die beiden aufgrund
irgendwelcher geschäftlicher Streitereien auf der schwarzen Liste, und der
Mörder hat den günstigen Moment genutzt.« Mit einem Blick auf die Uhr stand ich
auf und ergänzte: »Wir sollten versuchen herauszufinden, wer hier im Umkreis
der beiden Familien von dem Buch deines Bruders weiß. Am besten fangen wir nach
unserem Besuch beim Kommissar mit den Leuten an, die auf dem Hof wohnen.«
Sie schaute mich
skeptisch an. »Hast du denn Zeit dafür?«
»Du kannst dir gar
nicht vorstellen, wie wenig Zeit ich momentan habe, aber mich reizt der Fall
nun mal. Und ich habe so ein Gefühl, dass dein Bruder hier ganz schön was in
Bewegung gebracht hat. Bei einem Buch kann so ein Aufruhr hohe Verkaufszahlen
bringen. Ich bin also praktisch in Sachen PR für einen meiner Autoren unterwegs.«
»Wenn dann sogar
die Schwester des Autors dabei ums Leben kommt, lässt das die Zahlen sicherlich
noch einmal in die Höhe schnellen, oder?«, schmunzelte sie.
»Ein wunderbar
lukrativer Gedanke.«
Auf dem Weg ins
Kommissariat fragte ich sie: »Du und dein Bruder, ihr heißt einfach Nüßing, die
Verwandtschaft auf dem Hof aber Schulze Nüßing. Worin besteht der Unterschied?«
Sie warf mir einen
schulmeisterlichen Blick zu. »Ihr habt wohl keine Landwirte in der Familie,
nein? Schulze ist hier als Titel gemeint. Die sogenannten Schulzenhöfe im
Münsterland waren befugt, für den Bischof von Münster die Gelder und Abgaben
von den kleineren Bauern einzutreiben. Damit hatten sie innerhalb der
Bauernschaft eine hervorgehobene Stellung. Im Münsteraner Dom kannst du einige
Wandplatten sehen mit den Namen einflussreicher Höfe und Bauern, die sich dank
großzügiger Spenden an den Bischof im Dom mit ihrem Familienwappen verewigen
lassen durften. Heute weist der Name oft nur noch darauf hin, dass ein Hof mal
recht groß und einflussreich gewesen ist. Mein Großvater hat das vorgeschaltete
Schulze irgendwann abgelegt.«
In der Wache am
alten Steinweg, die sich in einer schönen Jugendstilvilla befand, versuchten
wir beide dann, unsere Theorien bezüglich der möglichen Tathergänge plausibel
zu erläutern. Kommissar Delbrock brummte, er trank Cappuccino aus einer dieser
Kaffeemaschinen, die per Knopfdruck das gewünschte Koffeinerlebnis lieferten.
»Warum sollte ein
Mann, der nachts mit einem Jagdgewehr unterwegs ist, einem anderen Mann mühsam
die Kehle durchschneiden? Vor allem, wenn dieser Mann jünger und wahrscheinlich
kräftiger war als er?« Cornelia und ich starrten den Kommissar fragend an.
Ich wagte eine
Hypothese: »Vielleicht wollte er nicht, dass man ihn anhand seiner Waffe später
entlarven kann.«
»Ein braver TV -Krimiexperte.« Delbrock machte eine abfällige
Handbewegung. »Hovermann hätte sie nur als gestohlen melden brauchen. Nein,
nein, der ältere Hovermann hat die Leiche gefunden und kurz danach Sie beide am
Tatort entdeckt. Natürlich hielt er Sie für die Mörder. Hätte ich auch getan.
Tue ich vielleicht immer noch.« Seine
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