Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
eingeritzt.«
»Meine Mutter ist
auf Mallorca. Ich muss das jetzt wissen.«
Eine unerträgliche
Unruhe machte sich in mir breit. Nun, unerklärlich war sie wohl nicht, aber
derartige Stimmungsschwankungen war ich bei meiner sonst so stabilen Gemütslage
nicht gewohnt. Ich stand auf und gab Mona die Hand. »Es war sehr nett, Sie
kennenzulernen.«
Cornelia sprang
ebenfalls auf, verabschiedete sich und folgte mir. Auf dem Weg zum Auto drehte
ich mich um. »Du brauchst nicht mitzukommen. Ich kann dich in einer Stunde
wieder abholen.«
»Soll ich
unterdessen vielleicht Reitstunden bei meiner mir so herzlich verbundenen
angeheirateten Verwandtschaft nehmen? Lass mal, ich werde mir das Kreuz nun
selbst ansehen. Wenn es wirklich das gleiche Kreuz sein sollte, dann steckt
vielleicht noch viel mehr hinter diesem Fall.«
Das vermutete ich
schon länger, aber ich schwieg.
SECHS
Natürlich hatte
ich keinen Haustürschlüssel zur Wohnung meiner Mutter, ich bin kein
Muttersöhnchen, und sie ist eine selbstständige Frau. Sie würde niemals davon
ausgehen, dass sie spontane Hilfe von ihrem Sohn benötigte, die einen eigenen
Schlüssel rechtfertigte. Aber ich wusste, bei wem meine Mutter in Urlaubszeiten
einen Schlüssel deponierte, und so schellte ich bei Frau Herfort, der
Nachbarin, während Cornelia im Auto wartete.
»Herr Schubert,
eine schöne Überraschung, kommen Sie herein.«
»Frau Herfort, ich
bin in Eile, ich habe …«
»Schade, Ihre
Mutter meinte, Sie würden sich bestimmt einmal ein Manuskript meiner Nichte
anschauen. Es ist wirklich gut und …«
»Gern, gern, ich
komme vorbei, sobald meine Mutter zurück ist, aber jetzt brauche ich dringend
ihren Haustürschlüssel. Ich habe bei meinem Besuch etwas Wichtiges vergessen.«
»Oh.« Frau Herfort
schaute mich aus kurzsichtigen Augen an, und ihre Hand fuhr in einer nervösen
Geste zum Ohr. Doch dann lächelte sie freundlich wie immer, ihre hagere Gestalt
verschwand kurz aus meinem Blickfeld, und schließlich hatte ich den Schlüssel
in der Hand. Frau Herfort war eine gescheite ältere Dame, die wahrscheinlich
vor zwanzig Jahren schon so aussah wie heute: hager, die grau melierten Haare
kurz geschnitten, sodass die asketischen Gesichtszüge interessant zur Geltung
kamen. Sie plauderte gern mit mir, immer schon, doch sie war klug genug, auf
einen geeigneten Zeitpunkt zu warten. Freundlich und möglichst harmlos verabschiedete
ich mich und schloss die Wohnung meiner Mutter auf.
Ich widerstand der
Begierde, das Kreuz sofort umzudrehen und die Jahreszahl zu überprüfen,
stattdessen griff ich nach einigen alten Familienalben und redete mir ein, dass
ich vor meinem Ableben eben gern noch in alten Fotos herumstöbern wollte. In
Wahrheit trieb mich eine nervöse Unruhe dazu, denn der Besitz dieses Kreuzes
war mir unheimlich. Mit einer Plastiktüte bewaffnet, kehrte ich der Wohnung
meiner Mutter den Rücken und gab den Schlüssel bei Frau Herfort wieder ab.
»Nun zeig schon
her, Michael.«
Cornelia zappelte
auf dem Beifahrersitz herum wie ein Kind. Sie war wirklich der ungeduldigste
Mensch, den ich je kennengelernt hatte. Vorsichtig zog ich die wunderschöne
Handarbeit hervor und reichte sie ihr. Ich sah sofort, dass es in der Tat
nahezu identisch war mit dem Kreuz auf dem Hof der Schulze Nüßings.
»1885,
tatsächlich, hier ist die Zahl eingeritzt.« Cornelia schüttelte den Kopf,
während sie auf die Zahl starrte. »Mensch, Michael, das ist doch direkt
unheimlich. Erst wirfst du mir vor, dass ich dich in diese Geschichte
hineinziehe, und dann steckst du offenbar schon viel länger drin.«
Ich startete den
Motor. »Mal halblang, das Kreuz stammt von meiner Großmutter. Sie kann es
irgendwo erworben oder von jemandem geschenkt bekommen haben.«
»So ein Kreuz ist
ein Andenken. Das behält man im Besitz der Familie, oder es wird einem
gestohlen.« Sie sah mich an, als hätte sie mich soeben des Diebstahls
überführt. »Vielleicht sucht jemand genau nach diesem Kreuz und hat deshalb die
Morde begangen?«
»Die beiden Kreuze
sind wunderbare Handarbeiten. Zweifelsohne hatte dein Vorfahre Talent, aber ich
bezweifle doch, dass sie einen Mord rechtfertigen würden. Noch dazu nach so
vielen Jahren, und ausgerechnet dort, wo möglicherweise Clemens Hovermann
begraben ist.«
»Vielleicht sucht
jemand schon ganz lange danach und glaubte, es wäre Clemens Hovermann mit auf
den Weg gegeben worden. Dann macht es Sinn, nach seinem Grab zu suchen und
vermeintliche
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