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Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Titel: Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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nicht, dass ich mir nur einen kleinen
Salat bestelle.« Dann sprang sie auf und verkündete: »Ich fahre schnell hin und
schau nach. Wenn ich das Tagebuch finde, bringe ich es mit.«
    Sie wollte also zu
ihrem Bruder fahren. Ich fragte mich, ob sie sich nun doch Sorgen um ihn machte
oder ob es ihr bloß um das Tagebuch und um weitere Informationen zu den Morden
ging. An der Haustür blieb sie stehen und schlug sich die Hand vor die Stirn.
Ihr war gerade eingefallen, dass sie gar nicht mit dem Auto da war.
    Ja, noch vor einer
Woche hätte ich meinen schönen Audi niemals einer derartig temperamentvollen
Frau geliehen. Doch offenbar begann sich mein Besitzdenken bereits von den
profanen materiellen Dingen des Lebens zu lösen zugunsten einer gewissen
Gleichgültigkeit. Geizig war ich nur noch mit meiner Zeit. Ich reichte ihr also
die Autoschlüssel und fragte: »Wie lange bist du weg?« Sie sagte dazu nichts,
drehte sich aber um und gab mir tatsächlich einen Kuss auf die Nasenspitze.
    Natürlich griff
ich zum Telefonhörer, kaum dass ich allein war.
    »Martin Albrecht.«
    »Michael hier. Wie
geht es dir denn im Norden?« Komisch, dass man sich so lässig geben konnte,
wenn einem eigentlich hundeelend zumute war.
    Martin saß
anscheinend gerade in einem Café, denn ich hörte im Hintergrund Stimmen und das
Rattern einer Kaffeemaschine.
    »Michael, ich habe
interessante Dinge herausgefunden. Wenn ich ein Buch darüber schreibe, und das
lohnt sich bei der Geschichte wirklich, hilfst du mir dann beim Verlegen?«
    »Im nächsten Leben
gern. Momentan nehme ich keine Aufträge mehr an. Hast du die Frau gesehen?« Ich
versuchte festzustellen, ob seine Stimme beunruhigt oder hoffnungsvoll klang.
War das, was er über diese Frau erfahren hatte, entscheidend für mein weiteres
Schicksal? Es gab plötzlich so viele Geheimnisse in meinem Leben, die ich lösen
wollte, eigentlich hatte ich gar keine Zeit zum Sterben.
    Und dann erzählte
Martin mir die Geschichte einer Frau. Sie hieß Amelie Steiner und hatte ihr
ganzes Leben in der Küstenstadt Norddeich verbracht. Ende des 19. Jahrhunderts
heiratete sie ihre große Liebe, einen jungen Arzt, der eine Verwandte zur Kur
nach Norddeich begleitet und sich in die schöne Amelie verliebt hatte. Er zog
zu ihr, und die ersten drei Jahre waren sie sehr glücklich miteinander. Sie
wohnten in einem kleinen Haus an der Küste, und Richard, so hieß der Arzt,
begann, das Meer zu lieben. Gern segelte er am Wochenende mit einem kleinen
Boot am Ufer entlang. Er war der Arzt des Dorfes und musste ständig Hausbesuche
machen, daher genoss er die Abgeschiedenheit und Unerreichbarkeit auf See.
    An einem leicht
bewölkten, aber beinahe windstillen Tag, einem Samstag, gingen Amelie und
Richard im Streit auseinander. Amelie wünschte sich sehnlichst ein Kind. Auch
nach drei Jahren Ehe war sie noch immer nicht schwanger, und so machte sie an
diesem unglücklichen Tag dem Arzt Vorwürfe. Es war eine Laune, nichts weiter.
Sie liebte ihren Mann heiß und innig, und im Grunde genommen war ihr bewusst,
dass kaum ein Arzt hier helfen konnte. Damals jedenfalls nicht. Ein Wort gab
das andere, und Richard ging aus dem Haus, nahm sein kleines Segelboot und
wollte diesen Streit bei einem Ausflug vergessen. Er kannte seine Amelie, schon
nach wenigen Stunden würde ihr der Ausbruch leidtun. Amelie ging derweil zu
ihrer eigenen Zerstreuung spazieren.
    »So weit, so gut«,
fasste Martin zusammen. Dann folgte ein Geräusch, als trinke er gerade
vorsichtig von einer Tasse heißen Kaffees. Ich wünschte mir sehnlichst, diese
Geschichte nicht am Telefon hören zu müssen, sondern ihm dabei
gegenüberzusitzen. Ich bekam eine Ahnung davon, dass Alleinsein im Angesicht
einer existenziellen Bedrohung unerträglich werden konnte.
    »Unterwegs traf
Amelie auf den alten Heintje. Heintje hatte sein ganzes Leben auf hoher See
verbracht, und wenn er mit seinen krummen, dünnen Beinen die Straße
entlangspazierte, sah es noch immer so aus, als würde er torkeln. Nach so
langer Zeit auf See schien er auch an Land die schwankenden Planken der Schiffe
ausgleichen zu wollen.
    ›Grüß dich,
Amelie. Sieh zu, dass du nach Hause kommst. Gibt Sturm, gleich.‹
    Amelie schaute
erstaunt zum Himmel, der eine etwas merkwürdige Farbe angenommen hatte, aber
nicht düster oder bedrohlich wirkte. ›Meinst du?‹
    ›Ganz sicher‹,
nickte Heintje. ›Ich habe diese Farbe am Himmel schon einmal gesehen. Das wird
ein richtig übles Unwetter. Will mal

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