Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
Sorgen
gemacht.«
»Gestern. Heute
ist Dienstag.«
»Die Polizei hat
ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Sie finden ihn sicherlich bald.«
Wie konnte ich so
dumm sein, sie mit einem derartigen Satz trösten zu wollen? Sie stürzte zum
Sofa und barg den Kopf in der Armlehne. Jetzt weinte sie richtig. »Siehst du,
dieser Kommissar glaubt auch, dass er nicht mehr lebt!«
»Noch laufen sie
nicht mit Leichenhunden durch den Wald. Dein Bruder ist exzentrisch. Der taucht
schon wieder auf.«
Ich stand mitten
in der kleinen Wohnung und wusste nicht mehr weiter. Es war deutlich weniger
aufgeräumt als bei meinem letzten Besuch, offenbar ging es Cornelia tatsächlich
schlecht. Ich setzte mich zu ihr auf das Sofa. Meine Hände behielt ich
allerdings bei mir. Und ich hielt Abstand, soweit es das alte Möbelstück
zuließ.
»Ich habe etwas
Interessantes herausgefunden. Ich bin ein Hovermann!«
Abrupt setzte sie
sich auf und sah mich erschrocken an. »Dann bist du in Lebensgefahr.«
Ich lächelte müde.
»Komm schon, Cornelia, niemand weiß davon. Und außerdem haben wir keine Ahnung,
warum die beiden anderen Hovermanns ermordet worden sind.«
»Es muss irgendein
altes Familiengeheimnis geben, Michael, und wer davon weiß, wird umgebracht.«
Sie hielt kurz inne und starrte mit tränenfeuchten Augen auf einen imaginären
Punkt. »Glaubst du an Schicksal?«
»Was meinst du?«
»Das liegt doch
auf der Hand. Du dachtest, du bist hier nur so hereingeschlittert und mischst
dich in fremde Familienangelegenheiten ein, und plötzlich erfahren wir, dass du
ganz eng mit dem Fall verbunden bist. Ich glaube, es war Vorbestimmung, dass du
Andreas gefördert und sein erstes Buch verlegt hast. Nur auf diese Weise bist
du zu deinen Wurzeln gelangt.«
Triumphierend
schaute sie mich an, endlich zeigte sie wieder ihren vertrauten Schwung. Leider
passte ihre Theorie nur zu gut zu den Prophezeiungen der armen Amelie.
Ich zuckte mit den
Schultern und sagte: »Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn man trotzdem
herausfindet, was wirklich passiert ist. Deshalb würde ich jetzt sehr gern mit
dir nach Dortmund fahren, zu der Witwe des ermordeten Horst Hovermann. Machen
wir einen Kondulenzbesuch und bringen sie zum Reden.«
* * *
»Ich sage es frei
heraus: Unsere Ehe war in den letzten Jahren ungefähr so harmonisch wie ein
Footballspiel. Und auch ebenso unfair, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Sybille Hovermann
war eine sehr gepflegte Erscheinung, schlank, nicht sehr groß, aber mit einer
auffallend geraden Haltung. Ihre blonden Haare trug sie kurz, zwei zierliche
Perlenohrringe betonten ihre Eleganz. Ich hätte sie hübsch gefunden, wäre da
nicht dieser verbitterte Zug um den Mund gewesen, der sich im Laufe der Zeit
unwiderruflich in ihr Gesicht eingegraben hatte. Sybille musste etwa in meinem
Alter sein, und dank der Stammbäume, die Cornelia besorgt hatte, wusste ich,
dass meine Großmutter mit dem ersten Mordopfer Martin Hovermann enger verwandt
gewesen war. Mit Horst Hovermann verband mich nur der gemeinsame Stammvater,
von dem Horst auch seinen Vornamen erhalten hatte.
»Was wollte Ihr
Mann bei den Schulze Nüßings, noch dazu bei Nacht in aller Heimlichkeit?«
Ihr Mund wurde zu
einer schmalen Linie, bevor sie zu sprechen begann. »Ich habe keine Ahnung, und
es ist mir den Schulze Nüßings gegenüber unendlich peinlich. Mir hatte er
erzählt, dass er zu einer Verbrauchermesse nach Frankfurt fährt. Er brach schon
am Sonntagnachmittag auf, angeblich, um am Montagmorgen nicht in den
Berufsverkehr zu geraten.«
Sie schaute
versonnen aus dem Fenster und fügte tonlos hinzu: »Das war nicht so
ungewöhnlich und ließ ihm mehr Freiraum für seine Affären.«
»Warum haben Sie
sich nicht von Ihrem Mann getrennt?« Cornelia stellte diese Frage mit dem
Erstaunen einer unabhängigen und unverheirateten Frau.
»Wir haben einen
körperbehinderten Sohn, und ich war immer der Meinung, Ingo braucht uns beide.
Er lebt seit Kurzem nicht mehr im Elternhaus, dafür haben wir aber schon vor
einiger Zeit Agathe aufgenommen, die älteste noch lebende Hovermann. Sie ist
eine Tante meines Schwiegervaters.« Sybille schenkte sich die dritte Tasse
Kaffee ein.
Wir saßen an einem
schlichten Glastisch in einem Wohnzimmer, dessen Einrichtung gediegen war, aber
Abnutzungserscheinungen zeigte. Entweder war das Geld für neue Möbel und
kleinere Reparaturen knapp, oder es kümmerte hier keinen.
»Wie alt ist
Agathe?« Ich rechnete im Kopf bereits nach.
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