Todsünde (German Edition)
ein Beruhigungsmittel genommen.
Wann sind Sie heute Morgen aufgewacht?
-So gegen elf Uhr.
War zu dem Zeitpunkt sonst noch jemand in der Wohnung?
-Ja. Anthony hat auf der Couch geschlafen. Und Tommy war in seinem Zimmer. Glaube ich.
Sie wissen es nicht genau?
-Nein. Ich dachte, er sei mit Karen zusammen und wollte nicht stören.
Wann haben Sie die Wohnung verlassen?
-Gegen viertel vor zwölf. Ich habe mir mit Anthony einen Kaffee geholt. Fragen Sie Officer Weisman.
So ging es noch eine ganze Weile. Lindsay war schon ganz schlapp vom vielen Fragen beantworten, und ihr Kopf dröhnte.
Als die Detectives endlich mit ihr fertig waren, sagte sie: „Jetzt habe ich aber noch eine Frage.“
Detective Snider sah sie genervt an.
„Wie kann es denn sein, dass in meiner Wohnung, in meinem Badezimmer, jemand ermordet wird, obwohl ein Polizist unten vor meinem Haus stand und aufgepasst hat? Das hätte verdammt noch mal ich sein können!“
„ Miss Scott, Officer St. James hat sein Bestes getan. Er hat den Eingang bewacht und ihm ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
„Nichts Ungewöhnliches? Es liegt eine tote Frau in meiner Badewanne!“
„Das wissen wir“, sagte nun Detective Danes. „Und wir werden unser Bestes tun, um diesen Fall aufzuklären. Miss Scott, Ihr Bruder hat Karen mit zu sich in die Wohnung genommen. Officer St. James hatte keinen Grund zu der Annahme, dass dort oben irgendetwas vor sich geht. Da nun aber eine Leiche in Ihrem Badezimmer aufgefunden wurde, liegt der Fall ziemlich klar. Einer der Anwesenden von letzter Nacht ist der Mörder.“
Lindsay sah Detective Danes geschockt an. Natürlich, zu dem Schluss war sie auch schon gekommen. Doch sie hatte gedacht, das sei nicht möglich. Es musste eine andere Erklärung geben. Tommy würde so etwas Grauenhaftes niemals tun. Und Anthony? Auch wenn sie ihn sehr lange nicht gesehen hatte, so wusste sie doch, dass er ein guter Mensch war. Nie und nimmer würde sie ihm so etwas zutrauen.
Aber sie würde all das niemandem zutrauen, den sie kannte, niemals.
Außerdem fragte sie sich, wer so gläubig war, so fanatisch religiös, dass er sich zum Retter der Welt ernannt hatte. Dachte der wirklich, er handle im Auftrag Gottes und vernichte alle Sünder zum Wohle der Menschheit?
Oder hatte es gar nichts mit Religion zu tun und es waren nur kranke Hirngespinste eines Irren?
Es war krank, so oder so. Und mit jedem Atemzug wuchs Lindsays Angst. Der Todsünden-Killer, wie er von allen nur noch genannt wurde, hatte wieder gemordet, nur wenige Meter von ihr entfernt. Inzwischen fragte sie sich, ob sie mit ihrer Vermutung, der Killer töte für sie, um sie zu beschützen, überhaupt je richtig gelegen hatte. Denn was hatte Karen ihr angetan? Gar nichts! Oder wollte sie ihr etwas antun?
N-E-I-D hatte er in ihr Fleisch geschrieben. Neid. War Karen neidisch auf sie gewesen? Hatte sie sie deshalb immer so biestig angeguckt? Aber auf jemanden neidisch zu sein war doch nichts Schlimmes, nichts wofür man töten würde. Das sah der Killer anscheinend anders. Neid war eine Todsünde, wieder eine Todsünde. Es gab insgesamt sieben Todsünden – es waren also noch vier übrig. Bedeutete das, es sollten noch vier weitere Morde geschehen?
18
Er hatte mitangesehen, wie ihre Leiche weggefahren wurde. Es war schon lustig, wie die Leute begierig zusahen, nur um einen kleinen Blick auf die Tote zu erhaschen und ihren Freunden und Bekannten später etwas Spannendes erzählen zu können. Dabei steckte sie doch in einem Leichensack.
Er hatte sie hautnah gesehen. Schön hatte sie ausgesehen in der weißen Wanne. Weiß wie die Unschuld, ein totaler Kontrast.
Später hatte die Polizei ihn vernommen, ausgefragt. Er hatte einen auf unschuldig gemacht. Er hatte sich geschockt gezeigt, hatte eine schauspielerische Bestleistung vollbracht.
Er konnte es einfach nicht glauben, dass sie tot war, wer hatte das nur getan? Er musste lachen.
Ob Lindsay ihn verdächtigte? Lindsay war zwar naiv, aber nicht blind. Wenn sie die Augen richtig aufmachte, würde sie es sehen. Vielleicht würde sie endlich sehen, was sie ihm bedeutete.
Nach gefühlten hunderttausend Fragen ließen sie ihn gehen. Sie hatten weder Blut an ihm gefunden noch Fingerabdrücke an ihr. Das Messer hatte er natürlich auch wieder dahin verschwinden lassen, wo er es herhatte, wo es keiner vermutete. Es war fast schon lächerlich, wie einfach es war. Er hatte drei
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