Todsünde (German Edition)
Menschen umgebracht und niemand konnte ihm etwas nachweisen.
Er dachte nach. Vielleicht war es bald an der Zeit, die vierte Person zu töten. Ja, Trägheit war ein guter Grund zum Töten.
19
Man hatte Lindsays Blut untersucht und festgestellt, dass sie zur Tatzeit – zwischen drei und sechs Uhr morgens – ein Beruhigungsmittel ruhiggestellt hatte, sie tief und fest geschlafen haben musste und so gar nicht in der Lage gewesen sein konnte, Karen zu töten.
Bei Tommy lag der Fall anders. Er war betrunken gewesen, konnte sich an so gut wie nichts erinnern und war intim mit Karen gewesen.
Anthony hatte man auch verhört, aber wieder laufen lassen, da er nicht dringend tatverdächtig war. Er war zwar anwesend gewesen, aber er hatte laut Tommy und Lindsay und laut eigener Aussage Karen nicht einmal berührt. Man hatte keinen einzigen Fingerabdruck von ihm an Karen gefunden, von Tommy dagegen gleich hunderte am ganzen Körper.
Die Sachlage war eindeutig. Tommy wurde wegen Mordes angeklagt und musste die Zeit bis zur Verhandlung im Gefängnis verbringen. Wegen Wiederholungsgefahr war die Möglichkeit, auf Kaution rauszukommen, dahin.
Lindsay hatte Angst, wieder nach Hause in ihre Wohnung zu gehen, weil sie nach wie vor an die Unschuld ihres Bruders glaubte. Sie glaubte, der Mörder lief noch frei herum. Deshalb zog sie für eine Weile zurück zu ihrer Mom nach Queens. Dort war wenigstens immer jemand bei ihr. Ihre Mom sowieso, und dazu war ja immer noch einer der Pfleger da.
Statt Karen kam nun Gwendolyn. Sie war um die fünfzig und backte wohl jeden Tag Kuchen. Die Küche ihrer Mom stand von nun an voll mit Kuchen, doch Lindsay rührte ihn kaum an. Sie hatte sich von ihrer heißgeliebten Schokolade verabschiedet. Außerdem passte sie genau auf, was sie sagte, was sie tat. Sie wollte nicht unbewusst eine Todsünde begehen und womöglich die Nächste sein. Denn sie spürte es genau: Es war noch nicht vorbei.
***
Lindsay hatte auf der Arbeit angerufen und Maurice erzählt, was alles geschehen war. Sie sagte ihm, dass sie sich nicht in der Lage fühlte zu arbeiten, und dass sie nicht sagen konnte, wann sie zurückkommen würde.
Ihr Boss hatte Mitgefühl gezeigt und gesagt: „Schätzchen, das ist doch verständlich. Mach dir keine Sorgen, wir werden schon eine Weile ohne dich auskommen. Erhole dich erst mal von dem Schock, und erst wenn es dir besser geht, kommst du zurück. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst, ja? Ach, und Jamal und die anderen lassen schön grüßen.“
Lindsay war froh, dass der sonst doch eher weniger einfühlsame Maurice Verständnis zeigte. So hatte sie wenigstens eine kleine Sorge weniger. Sie arbeitete ja eh nicht wegen des Geldes, sondern weil ihr die Tätigkeit in der Modelagentur Spaß machte. Tommy ging es genauso. Geld hatten sie genug. Ihr Dad hatte ihnen bei seinem Tod ein beachtliches Erbe hinterlassen.
***
Roberts Leiche wurde zuerst freigegeben. Die Bestattung fand an einem Donnerstag im Juni statt. Lindsay trug das schwarze eng anliegende Kleid, das Robert so an ihr gemocht hatte, dazu die Herzkette.
Auf der Beerdigung waren unendlich viele Frauen, und Lindsay war sich dessen bewusst, dass sie alle ihren Robert geliebt hatten, wenn auch nur im Bett.
Sie betrachtete sie sich alle und stellte fest, dass sie fast ausschließlich blond waren. Warum war er überhaupt mit mir zusammen, fragte sie sich, wenn er doch so offensichtlich ganz andere Dinge mochte?
Vielleicht hatte er sie wirklich geliebt. Das hatte er ihr zumindest gesagt. Ob es stimmte, würde sie nie erfahren.
Als sich am Ende der Zeremonie eine Schlange bildete und zig Frauen eine Rose in das Grab warfen, fasste Lindsay blitzartig einen Entschluss.
Robert hatte ihr so wehgetan und sie war noch immer sauer auf ihn, andererseits sollte man verzeihen. Er war tot, er hatte seine Strafe bekommen, ob sie nun gerecht war oder nicht. Sie liebte ihn noch immer und würde es immer tun, aber sie musste endlich loslassen.
Er war nicht mehr da, sie musste sich nicht mehr entscheiden. Nicht, was ihre Beziehung zu ihm anging. Sie konnte sich allerdings entscheiden, wie sie weitermachen wollte. Wollte sie wirklich diesem Mann nachtrauern und sich die Chance auf ein neues Glück verderben? Wollte sie wirklich wegen ihm aufhören, das Gute in den Männern zu sehen und niemand anderem die Möglichkeit geben, sie eines Besseren zu überzeugen?
Nein. Robert war es nicht wert. Sie würde
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