Todsünde (German Edition)
Lindsay nickte. Obwohl das, was Seth gesagt hatte, etwas Schönes war, lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Der Umgang mit dem Messer. Das Helfersyndrom.
Ach was, das ist doch Blödsinn, sagte sich Lindsay. Das ist doch nur Seth, der superliebe Seth, der sich so gut um meine Mom kümmert. Ich sollte echt aufhören, alles und jeden zu verdächtigen.
„Und, was macht der kleine Lincoln?“, fragte sie und meinte damit Seths kleinen Bruder Howie, der neulich in einer Theateraufführung der Schule Abraham Lincoln gespielt hatte.
„Oh, er ist ein guter Schauspieler, wird von Tag zu Tag besser.“
„Grüß ihn bitte von mir.“
„Werde ich machen. Miss Scott, was ich Sie noch fragen wollte: Kommen Sie am Donnerstag auch zu Karens Beerdigung? Sie könnten Molly und mich begleiten.“
„Nimm es mir nicht übel, Seth, aber ich habe erst mal genug von Beerdigungen. Zwei Stück in zwei Wochen, das hat mich ganz schön mitgenommen. Außerdem stand ich Karen nicht sehr nah.“
Jetzt sah Seth sie mit einem Blick an, den sie nicht deuten konnte.
„Ist wohl auch nicht wichtig. Na ja, ich dachte nur, weil sie doch in Ihrer Wohnung gestorben ist und so.“
„Ja, das war wirklich schrecklich.“ Lindsay war nicht wohl bei dieser Unterhaltung. Sie schnitt weiter ihre Gurke und vermied es, Seth anzusehen. Dafür spürte sie aber seine Blicke umso deutlicher.
„Vielleicht hat sie es verdient zu sterben. Neid ist ein schlimmes Laster.“
Verdammt! Woher wusste Seth das? Die Polizei hatte nicht öffentlich gemacht, dass der Todsünden-Killer dieses Mal wegen Neid getötet hatte. Woher sollte er es also wissen, wenn er nicht da gewesen war?
„Seth, woher weißt du das?“, fragte sie und überlegte im nächsten Moment, ob es dumm gewesen war, ihn das zu fragen.
„Na, ich habe doch gesehen, dass Karen Sie immer so neidisch angesehen hat. Da habe ich es mir gedacht.“
Könnte er die Wahrheit sagen? Immerhin wusste sie, dass die Detectives auch ihn verhört hatten. Und er hatte für alle Morde ein Alibi. Das stand im Protokoll.
„Seth, wo warst du eigentlich in der Nacht, in der Karen gestorben ist?“
Auch wenn es verrückt war, auch wenn ihr große Gefahr drohte, sollte Seth wirklich etwas mit den Morden zu tun haben, sie musste es einfach wissen. Sie musste es riskieren.
„Ich war zu Hause, im selben Zimmer wie mein Bruder. Wir haben fast die ganze Nacht Videospiele gespielt. Howie kann das bezeugen.“
„Howie. Der Schauspieler.“
„Genau.“ Jetzt grinste Seth sie irre an.
„Du warst es!“, sagte sie, Furcht in ihrer Stimme.
„Ich habe mich schon gefragt, wann du es endlich herausfinden würdest, Lindsay“, erwiderte er. Sie nahm ganz genau wahr, dass er sie plötzlich beim Vornamen ansprach. So, als wäre eine Mauer zwischen ihnen gefallen.
„Oh mein Gott, das kann doch nicht ...“
Sie wich ein paar Schritte zurück. Doch gleich hielt Seth das scharfe Messer hoch und sagte: „Komm schön wieder hierher zurück.“
Mit ängstlichen Augen starrte sie Seth an, mit zitternder Stimme fragte sie: „Aber warum denn nur, Seth?“
„Ich habe es für dich getan. Ich wollte, dass sie aufhören, dir wehzutun.“
Lindsay konnte nicht fassen, was sie da hörte: „Aber indem du sie mir genommen hast, hast du mir noch viel mehr wehgetan.“
„Das denkst du nur. Sie hätten dich immer wieder verletzt. Ich wollte doch nur dein Bestes.“ Jetzt hörte sich Seth an wie ein sechsjähriger Junge, der sich versuchte zu rechtfertigen, weil er die letzten Kekse aus der Keksdose aufgegessen hatte.
„Aber wie hast du von Robert gewusst? Dass er mich betrogen hat? Und wie von Jess?“
„Ich habe dich beobachtet.“
„Ich habe dich nie in der Stadt gesehen.“
„Ich bin ja auch schon immer unsichtbar für dich gewesen.“
So, wie er es sagte, konnte er einem fast leid tun.
„Seth! Hör mir zu! Du musst dich der Polizei stellen!“
„Nein! Niemals! Ich muss doch weiter auf dich aufpassen.“
„Ich kann schon allein auf mich aufpassen, Seth.“
„Genau das konntest du nicht, das haben wir doch beide gesehen“, sagte er und fuchtelte mit dem Messer vor ihr herum.
„Es tut mir leid, Seth, ist okay. Also nicht die Polizei. Wollen wir uns nicht setzen? Dann können wir reden.“
Er sah sie lange an. „In Ordnung“, sagte er dann und zeigte auf einen der Küchenstühle, auf den sie sich setzen sollte. Dann setzte er sich ebenfalls.
Ich
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