Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
die anderen Schwestern sollen nicht mitbekommen, dass du einen Besucher empfängst. Einen Besucher, für den du bereit bist, die Regeln zu verletzen.
    Aber es ist dunkel, das Tor ist nicht beleuchtet. Du kannst also sein Gesicht nicht sehen. Du kannst nicht sicher sein, dass es wirklich der Besucher ist, den du in dieser Nacht erwartest.
    Am Brunnen blieb sie abrupt stehen und blickte zu der Fensterreihe hinauf, die auf den Hof hinausging.
    »Was ist denn da oben?«, fragte Dean.
    »Camilles Zimmer«, antwortete sie und zeigte mit dem Finger darauf. »Das da ist es.«
    Er folgte ihrem Blick. Der eisige Wind hatte sein Gesicht gerötet und sein Haar zerzaust. Es war ein Fehler, ihn anzusehen, denn plötzlich überfiel sie ein solches Verlangen nach seiner Berührung, dass sie sich abwenden und die geballte Faust auf ihren Leib pressen musste, um gegen die Leere anzukämpfen, die sie in sich verspürte.
    »Es ist möglich, dass sie von ihrem Zimmer aus etwas gesehen hat«, sagte Dean.
    »Das Licht in der Kapelle. Es brannte noch, als die beiden Opfer gefunden wurden.« Rizzoli starrte immer noch zu Camilles Fenster empor, und sie dachte an das blutbefleckte Bettlaken.
    Sie wacht auf und stellt fest, dass ihre Binde nass ist. Also steht sie auf und geht ins Bad, um sie zu wechseln. Und als sie in ihr Zimmer zurückkommt, bemerkt sie das Licht, das in den Buntglasfenstern schimmert. Ein Licht, das um diese Zeit nicht brennen dürfte.
    Rizzoli wandte sich wieder zur Kapelle um. Gebannt folgte ihr Blick der geisterhaften Gestalt Camilles, die sie jetzt aus dem Haupthaus treten sah. Das Mädchen zitterte, als es den überdachten Gang entlangging; vielleicht bereute sie es schon, dass sie für den kurzen Weg zwischen den Gebäuden keinen Mantel übergezogen hatte.
    Rizzoli folgte dem Schatten in die Kapelle.
    Dort stand sie in der Dunkelheit. Es brannte kein Licht, die Bankreihen waren kaum mehr als horizontale Schattenlinien. Dean stand schweigend neben ihr, beinahe selbst wie ein Geist, während sich vor ihrem inneren Auge die letzte Szene abspielte.
    Camille tritt durch die Tür, eine zierliche Person, ihr Gesicht bleich wie Milch. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen. Sie sieht Schwester Ursula zu ihren Füßen liegen. Der Steinboden ist mit Blut bespritzt.
    Vielleicht hatte Camille nicht sofort begriffen, was geschehen war, und auf den ersten Blick geglaubt, Ursula sei nur ausgerutscht und habe sich am Kopf verletzt. Oder vielleicht hatte sie schon in dem Moment, als sie das Blut sah, instinktiv gewusst, dass das Böse in ihren Mauern war. Dass es in diesem Augenblick hinter ihr an der Tür stand – und sie beobachtete.
    Dass es auf sie zukam.
    Der erste Schlag fährt auf ihren Schädel herab. Sie wankt, aber sie fällt nicht. Benommen, wie sie ist, versucht sie, dennoch zu fliehen. In die einzige Richtung, die ihr offen steht. Den Mittelgang entlang zum Altar, wo sie strauchelt. Wo sie auf die Knie fällt und auf den tödlichen Schlag wartet.
    Und als es vorüber ist, als die junge Camille tot am Boden liegt, wendet der Mörder sich wieder dem ersten Opfer zu. Ursula.
    Aber er vollendet sein Werk nicht. Er lässt sie am Leben.
    Warum?
    Sie blickte auf die Steinfliesen herab, dort, wo Schwester Ursula gestürzt war. Sie stellte sich vor, wie der Täter sich über sie beugte, um zu überprüfen, ob sein Schlag tödlich gewesen war. Und verharrte reglos, als ihr plötzlich einfiel, was Dr. Isles ihr gesagt hatte.
    »Der Mörder hat keinen Puls gefühlt«, sagte sie.
    »Was?«
    »Schwester Ursula hat an der rechten Halsseite keinen Puls.« Sie sah Dean in die Augen. »Er dachte, sie sei tot.«
    Sie folgten Camilles letzten Schritten und gingen zwischen den Bankreihen hindurch Richtung Altar. An der Stelle, wo sie gefallen war, blieben sie stehen. Schweigend blickten sie auf den Boden herab. Obwohl sie in der Dunkelheit nichts erkennen konnten, waren zweifellos noch Reste ihres Bluts in den Fugen zwischen den Fliesen zurückgeblieben.
    Ein Schauer durchfuhr Rizzoli. Als sie den Kopf hob, sah sie, dass Dean sie beobachtete.
    »Mehr gibt es hier nicht zu sehen«, sagte sie. »Es sei denn, du willst noch mit den Schwestern sprechen.«
    »Ich will mit dir sprechen.«
    »Ich bin doch hier.«
    »Nein, das bist du nicht. Detective Rizzoli ist hier. Ich würde gerne mit Jane sprechen.«
    Sie lachte. Es klang blasphemisch in diesem Gotteshaus.
    »Das klingt ja gerade so, als hätte ich eine gespaltene Persönlichkeit.«
    »So weit

Weitere Kostenlose Bücher