Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
und ich bin hier. Du hast deinen Job, den du nicht aufgeben willst, und ich habe meinen. Keine Kompromisse.«
    »Wie du es sagst, klingt es wie eine Kriegserklärung.«
    »Nein, es ist einfach nur logisch. Ich versuche, praktisch zu denken.« Sie drehte sich um und ging in Richtung Ausgang.
    »Und du versuchst, dich zu schützen.«
    »Sollte ich das etwa nicht?«, fragte sie, indem sie sich zu ihm umwandte.
    »Es ist nicht so, dass die ganze Welt nur darauf aus ist, dir wehzutun, Jane.«
    »Ja, weil ich das nicht zulasse.«
    Sie verließen die Kapelle und gingen über den Hof zum Tor. Mit einem metallischen Dröhnen fiel es hinter ihnen ins Schloss.
    »Tja, ich halte es für zwecklos, noch länger an diesem Panzer herumzukratzen«, sagte er. »Ich bin ein gutes Stück auf dich zugegangen. Aber du musst dich auch von der Stelle bewegen. Du musst auch nachgeben.« Er drehte sich um und ging auf seinen Wagen zu.
    »Gabriel?«, sagte sie.
    Er blieb stehen und wandte sich zu ihr um.
    »Was hast du denn geglaubt, was diesmal passieren würde?«
    »Ich weiß nicht. Dass du dich zumindest freuen würdest, mich zu sehen.«
    »Und was noch?«
    »Dass wir wieder vögeln würden wie die Weltmeister.«
    Sie lachte nur und schüttelte den Kopf. Bring mich nicht in Versuchung. Erinnere mich nicht daran, was mir die ganze Zeit gefehlt hat.
    Er sah sie über das Autodach hinweg an. »Ich würde mich auch mit Ersterem zufrieden geben, Jane«, sagte er. Dann stieg er ein und schlug die Tür zu.
    Sie sah ihm nach, als er davonbrauste, und dachte: Wenn wir nicht gevögelt hätten wie die Weltmeister, dann hätte ich jetzt ein Problem weniger.
    Fröstelnd blickte sie zum Himmel auf. Es war erst vier Uhr nachmittags, und schon schien die Nacht heranzurücken und das letzte graue Licht des Tages zu vertreiben. Sie hatte keine Handschuhe, und der Wind war so schneidend kalt, dass ihre Finger schmerzten, als sie den Schlüssel aus der Tasche zog und den Wagen auf schloss. Sie stieg ein und versuchte den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, doch ihre Hände waren so taub, dass sie ihre Finger kaum noch spürte.
    Als sie es endlich geschafft hatte, verharrte sie reglos mit der Hand am Anlasser.
    Sie musste plötzlich an die Hände von Leprakranken denken, an Finger, die zu Stümpfen abgefault waren.
    Und eine vage Erinnerung regte sich in ihrem Hinterkopf – an eine Frage, in der es um die Hände einer Frau gegangen war. Eine beiläufige Bemerkung, der sie zu der Zeit keine Beachtung geschenkt hatte.
    Sie hat gesagt, ich rede zu viel, weil ich gefragt habe, warum die Frau keine Finger hat.
    Rizzoli stieg wieder aus, ging zum Tor und läutete. Läutete wieder.
    Endlich tauchte Schwester Isabel auf. Das verhutzelte Gesicht, das sie durch die Eisenstäbe anstarrte, drückte nicht gerade Begeisterung aus.
    »Ich muss mit dem kleinen Mädchen sprechen«, sagte Rizzoli. »Mit Mrs. Otis’ Tochter.«
    Sie fand Noni in einem alten Schulzimmer am Ende des Flurs. Hier saß sie ganz allein an einem ramponierten Lehrerpult und baumelte mit den stämmigen Beinchen, vor sich eine Sammlung von Buntstiften in allen Regenbogenfarben. In der Klosterküche, in der Mrs. Otis gerade das Abendessen für die Schwestern vorbereitete, war es viel wärmer, und das Aroma frisch gebackener Schokoladenplätzchen drang bis in diesen düsteren Winkel des Gebäudes. Doch Noni hatte es vorgezogen, sich in dieses kalte Zimmer zu verkriechen, in sicherer Entfernung von dem Geschimpfe und den missbilligenden Blicken ihrer Mutter. Mit kindlichem Griff hielt sie einen giftgrünen Stift gepackt und malte Funken, die aus dem Kopf eines Mannes sprühten. In selbstvergessener Konzentration schob sie die Zungenspitze zwischen den Lippen hervor.
    »Gleich explodiert es«, erklärte Noni. »Die Todesstrahlen bringen sein Gehirn zum Kochen, und dann platzt ihm der Kopf. Wie wenn man was in der Mikrowelle kocht, und dann zerplatzt es auf einmal.«
    »Und die Todesstrahlen sind grün?«, fragte Rizzoli.
    Noni blickte auf. »Müssen die eine andere Farbe haben?«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte mir Todesstrahlen immer eher – na ja – silbern vorgestellt.«
    »Silber hab ich nicht. Conrad hat sich meinen silbernen Stift neulich in der Schule genommen und will ihn nicht mehr rausrücken.«
    »Na ja, ich denke, grüne Todesstrahlen tun’s zur Not auch.«
    Beruhigt wandte sich Noni wieder ihrer Zeichnung zu. Sie nahm einen blauen Stift zur Hand und versah die Strahlen mit Spitzen, so dass

Weitere Kostenlose Bücher