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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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    Im Rückspiegel sah sie seinen Mietwagen hinter ihr einparken.
    Sofort stieg sie aus und spürte mit Befriedigung den eisigen Wind in ihrem Gesicht. Je brutaler die Kälte, desto besser – die Schmerzen würden sie wenigstens zur Besinnung bringen. Sie sah zu, wie er aus seinem Wagen stieg, und begrüßte ihn mit einem knappen, kollegialen Nicken.
    Dann wandte sie sich zur Pforte um und läutete. Keine Zeit für ein privates Gespräch, kein krampfhaftes Ringen um Worte. Es war ein dienstlicher Termin, und sie kam sofort zur Sache – es war die einzige Möglichkeit, wie sie mit diesem unverhofften Wiedersehen umgehen konnte. Sie war erleichtert, als sie nach kurzer Zeit eine Nonne aus dem Haus treten und durch den Schnee auf die Pforte zuschlurfen sah.
    »Das ist Schwester Isabel«, sagte Rizzoli. »Sie gehört noch zu den jüngeren Nonnen – ob du’s glaubst oder nicht.« Isabel musterte sie mit verkniffenen Augen durch die Gitterstäbe. Ihr Blick fiel auf Rizzolis Begleiter.
    »Das ist Agent Dean vom FBI«, erklärte Rizzoli. »Ich möchte ihm nur eben die Kapelle zeigen. Wir werden Sie nicht weiter belästigen.« Isabel öffnete das Tor und ließ sie ein. Mit einem harschen Scheppern fiel es ins Schloss. Der kalte Klang der Endgültigkeit. Des Eingeschlossenseins. Schwester Isabel machte sofort kehrt und strebte zum Haus zurück. Die beiden Besucher blieben im Hof zurück – allein miteinander.
    Rizzoli ließ nicht zu, dass das Schweigen sich länger ausdehnte, sondern machte sich sofort an eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse. »Wir können immer noch nicht mit Sicherheit sagen, wie der Täter hineingelangt ist«, sagte sie. »Der Neuschnee hat alle eventuell vorhandenen Fußspuren verwischt, und wir haben keine abgerissenen Efeuzweige gefunden, die darauf hingedeutet hätten, dass er über die Mauer geklettert ist. Der Haupteingang ist immer verschlossen; wenn der Täter also auf diesem Weg hineingelangt ist, muss ihn jemand aus dem Kloster eingelassen haben. Das ist ein Verstoß gegen die Klosterregeln. Es muss nachts passiert sein, im Schutz der Dunkelheit.«
    »Es gibt keine Zeugen?«
    »Keinen einzigen. Wir dachten zuerst, dass die jüngere Nonne, Camille, das Tor geöffnet haben könnte.«
    »Wieso Camille?«
    »Das hat mit dem Ergebnis der Autopsie zu tun.« Rizzoli drehte das Gesicht zur Mauer und mied bewusst seinen Blick, als sie sagte: »Sie hatte kurz vor ihrem Tod ein Kind zur Welt
    gebracht. Wir haben das tote Baby in einem Teich hinter dem Kloster gefunden.«
    »Und der Vater?«
    »Zählt natürlich zu den Hauptverdächtigen, wer immer es ist. Wir haben ihn noch nicht identifizieren können; die Ergebnisse der DNA-Tests liegen noch nicht vor. Aber nach dem, was du uns vorhin erzählt hast, sieht es so aus, als ob wir vollkommen auf dem Holzweg wären.«
    Ihr Blick schweifte über die Mauern, die sie einschlossen, das Tor, das allen Fremden den Zutritt verwehrte, und mit einem Mal begann sich eine andere Ereignisfolge vor ihrem geistigen Auge abzuspielen – ganz anders als die, von der sie nach ihrem ersten Besuch am Ort des Geschehens ausgegangen war.
    Wenn es nun doch nicht Camille gewesen ist, die das Tor geöffnet hat ...
    »Und wer hat denn nun den Mörder ins Kloster eingelassen?«, fragte Dean, der anscheinend ihre Gedanken gelesen hatte.
    Stirnrunzelnd betrachtete sie das Tor, und sie dachte an Schneeflocken, die über das Pflaster wirbelten. »Ursula war mit Mantel und Stiefeln bekleidet ...«, sagte sie nachdenklich.
    Sie wandte sich zum Haus um und versuchte, es sich in jenen stockfinsteren Stunden vor der Morgendämmerung vorzustellen, alle Fenster dunkel, die Nonnen schlafend in ihren Betten. Der Hof leer und verlassen, das einzige Geräusch das Brausen des Windes.
    »Es schneite schon, als sie aus dem Haus kam«, sagte sie.
    »Sie war entsprechend angezogen. Sie ging über diesen Hof zum Tor, wo jemand auf sie wartete.«
    »Jemand, von dem sie gewusst haben muss, dass er kommen würde«, sagte Dean. »Jemand, den sie erwartet hat.«
    Rizzoli nickte. Sie drehte sich um und steuerte die Kapelle an. Ihre Stiefel stanzten Löcher in die Schneedecke.
    Dean war direkt hinter ihr, doch sie beachtete ihn nicht mehr – sie ging jetzt in den Fußstapfen einer Toten.
    Eine Nacht, in der die ersten Schneeflocken des Winters vom Himmel herabwirbeln. Die Steine unter deinen Stiefelsohlen sind rutschig. Du schleichst dich leise über den Hof, denn

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