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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sich in regelmäßigen Abständen hob und senkte, während er Ursulas Brustkorb massierte. Sie sah, wie ein Medikament nach dem anderen in den intravenösen Zugang gespritzt wurde und sterile Verpackungen zu Boden regneten.
    Rizzoli starrte gebannt auf den Monitor. Die Kurve raste jetzt in einem Sägezahnmuster vorüber.
    »Auf zweihundert laden!«
    Im Zimmer trat alles einen Schritt zurück, als die Schwester sich mit den Elektroden des Defibrillators über die Patientin beugte. Deutlich konnte Rizzoli Ursulas entblößte Brüste sehen. Die Haut war fleckig gerötet. Irgendwie kam es ihr merkwürdig vor, dass eine Nonne so volle Brüste hatte.
    Die Elektroden entluden sich.
    Ursulas Oberkörper schnellte wie von Stahlfedern getrieben in die Höhe.
    Neben Rizzoli flüsterte die Polizistin: »Ich habe ein ungutes Gefühl. Sie bringen sie nicht durch.«
    Sutcliffe blickte noch einmal zum Monitor auf. Dann fing er Rizzolis Blick durch das Fenster auf. Und schüttelte den Kopf.
    Eine Stunde später traf Maura im Krankenhaus ein. Nach Rizzolis Anruf war sie gleich aus dem Bett geschlüpft, ohne Victor zu wecken, der friedlich neben ihr weitergeschlafen hatte. Sie hatte auf die Dusche verzichtet und sich gleich angezogen. Im Aufzug zur Intensivstation konnte sie noch seinen Duft auf ihrer Haut riechen; sie war erschöpft und wund von der wilden Liebesnacht. Sie hatte sich aus seiner Umarmung losgerissen, um ins Krankenhaus zu eilen, und es fiel ihr schwer, sich auf das einzustellen, was sie erwartete. Die Lebenden – ganz besonders einer – hatten die Toten aus ihren Gedanken verdrängt. Maura ließ sich gegen die Wand der Aufzugskabine sinken, schloss die Augen und gab sich noch einen kurzen Moment der Erinnerung hin.
    Das Zischen der Lifttür riss sie aus ihrem Tagtraum. Mit einem Ruck richtete sie sich auf und blinzelte die beiden Krankenschwestern an, die wartend vor dem Aufzug standen. Rasch schlüpfte sie hinaus und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Ob sie etwas merken?, dachte sie. Sicher sieht man mir schon am Gesicht an, was wir getrieben haben.
    Rizzoli hockte erschöpft auf einem Sofa im Wartezimmer der Intensivstation und schlürfte Kaffee aus einem Styroporbecher. Als Maura eintrat, musterte Rizzoli sie eingehend, als hätte sie eine Veränderung an ihr bemerkt. Fragte sie sich, warum Mauras Wangen so glühten – in dieser Nacht, in der eine Tragödie sie zusammenführte?
    »Sie sagen, es sei ein Herzanfall gewesen«, sagte Rizzoli. »Sieht nicht gut aus. Sie hängt jetzt an der Herz-Lungen-Maschine.«
    »Um wie viel Uhr war der Herzalarm?«
    »Gegen ein Uhr fünfzehn. Sie haben fast eine Stunde lang um ihr Leben gekämpft, bis sie endlich wieder einen Rhythmus hatten. Aber jetzt liegt sie im Koma. Keine Spontanatmung; keine Pupillenreaktion.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, da drin ist niemand mehr zu Hause.«
    »Was sagen die Ärzte?«
    »Tja, die Gelehrten streiten sich noch. Dr. Yuen ist noch nicht bereit, den Stecker rauszuziehen. Aber unser Hippieknabe meint, sie sei hirntot.«
    »Sie meinen Dr. Sutcliffe?«
    »Ja. Dieser Muskelprotz mit dem Pferdeschwanz. Er hat für heute früh ein EEG angeordnet, um die Hirnaktivität zu messen.«
    »Wenn das Resultat negativ ausfällt, dürften weitere lebenserhaltende Maßnahmen nur schwer zu rechtfertigen sein.«
    Rizzoli nickte. »Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden.«
    »Gibt es Zeugen für den Herzstillstand?«
    »Was?«
    »War medizinisches Personal anwesend, als ihr Herz stehen blieb?«
    Rizzoli wirkte jetzt leicht gereizt; Mauras nüchterne Fragen schienen ihr nicht zu behagen. Sie stellte ihren Becher ab, und Kaffee schwappte auf den Tisch. »Ja, sogar jede Menge. Ich war auch dabei.«
    »Was ging dem Herzalarm voraus?«
    »Angeblich ist zuerst ihr Blutdruck in die Höhe geschossen, und ihr Puls hat verrückt gespielt. Aber als ich hier eintraf, hatte der Blutdruck schon wieder zu fallen begonnen. Und dann blieb ihr Herz stehen. Ja, und dafür gibt es wie gesagt einen Haufen Zeugen.«
    Es war einen Moment still. Der Fernseher lief, jedoch ohne Ton. Rizzolis Blick fiel auf die CNN-Schlagzeilen, die am unteren Bildschirmrand durchliefen. North Carolina: Verärgerter Mitarbeiter erschießt vier Menschen in Autofabrik ... Colorado: Zug mit giftigen Chemikalien entgleist ... Da führen sie Buch über all die Katastrophen im Land, und hier sitzen wir – zwei erschöpfte Frauen, die sich nur wünschen, diese Nacht wäre endlich

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