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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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kein Platz für Kompromisse. Du warst doch viel zu scharf darauf, den heiligen Victor spielen, die ganzen Auszeichnungen und Lobeshymnen einzuheimsen. Niemand schafft es, auf die Titelseite von People zu kommen, indem er einfach nur ein guter Ehemann ist.«
    »Du denkst, ich tue es nur dafür? Für die Anerkennung und die Publicity? Mein Gott, Maura. Du weißt doch, wie wichtig unsere Arbeit ist. Das kannst du doch nicht leugnen.«
    Sie seufzte. »Du hast Recht, das war nicht fair von mir. Aber wir wissen doch beide, wie sehr dir das fehlen würde.«
    »Ja, das stimmt«, gab er zu. Und fügte leise hinzu: »Aber ich habe nicht gewusst, wie sehr du mir fehlen würdest.«
    Sie ließ seine letzten Worte verhallen, ohne etwas zu erwidern. Ließ die Stille zwischen ihnen anwachsen. Die Wahrheit war, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sein Geständnis hatte sie sprachlos gemacht.
    »Du siehst fantastisch aus«, sagte er. »Und du wirkst zufrieden. Bist du es auch?«
    »Ja.« Ihre Antwort kam zu prompt, fast automatisch. Sie spürte, wie sie errötete.
    »Es läuft gut in deinem neuen Job?«, fragte er.
    »Er bietet jedenfalls ständig neue Herausforderungen.«
    »Macht wohl mehr Spaß, als die armen Studenten an der Uni in San Francisco zu terrorisieren, oder?«
    Sie lachte. »Ich habe keine Medizinstudenten terrorisiert.«
    »Die Studenten sind da vielleicht anderer Meinung.«
    »Ich habe höhere Anforderungen an sie gestellt, das ist alles. Und sie haben sie auch fast immer erfüllt.«
    »Du warst eine gute Dozentin, Maura. Ich bin sicher, die Uni würde dich mit Kusshand wieder einstellen.«
    »Nun ja, wir alle entwickeln uns ständig weiter, nicht wahr?« Sie spürte, dass er sie ansah, und bemühte sich, eine neutrale Miene aufzusetzen.
    »Ich habe dich gestern im Fernsehen gesehen«, sagte er. »In den Abendnachrichten. Es ging um diesen Überfall im Nonnenkloster.«
    »Ich hatte gehofft, ich würde nicht ins Bild kommen.«
    »Ich habe dich gleich entdeckt. Sie haben dich gezeigt, wie du gerade aus dem Tor kamst.«
    »Das gehört zu den Risiken des Berufs. Man steht immer im Rampenlicht.«
    »Besonders in diesem Fall, schätze ich. Sie haben auf allen Kanälen darüber berichtet.«
    »Was haben sie denn darüber gesagt?«
    »Dass die Polizei noch keine Verdächtigen festgenommen habe. Und dass das Motiv noch unklar sei.« Er schüttelte den Kopf. »Es klingt wirklich vollkommen irrational – ein Mordanschlag auf Nonnen. Es sei denn, es handelte sich um ein Sexualverbrechen.«
    »Würde das es rationaler machen?«
    »Du weißt, wie ich das meine.« Ja, das wusste sie, und sie kannte Victor zu gut, als dass sie an seiner Bemerkung Anstoß genommen hätte. Es bestand in der Tat ein großer Unterschied zwischen einem eiskalten, berechnenden Sexualtäter und einem Psychotiker, der keinen Bezug zur Realität hatte.
    »Ich habe das Opfer heute früh obduziert«, sagte sie »Multiple Schädelfrakturen. Riss der mittleren Meningealarterie. Er hat wieder und wieder auf sie eingeschlagen, vermutlich mit einem Hammer. Ich weiß nicht recht, ob man eine solche Attacke als rational bezeichnen kann.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wie hältst du das bloß aus, Maura? Früher hast du nur hübsche, saubere Krankenhausleichen obduzieren müssen, und jetzt so was.«
    »Krankenhausleichen sind auch nicht immer so hübsch und sauber.«
    »Aber eine Autopsie eines Mordopfers? Und sie war noch sehr jung, nicht wahr?«
    »Erst zwanzig.« Sie zögerte. Beinahe hätte sie ihm auch gesagt, was sie sonst noch bei der Autopsie herausgefunden hatte. Als sie miteinander verheiratet gewesen waren, hatten sie sich immer gegenseitig den neuesten Medizinerklatsch erzählt, weil sie sich darauf verlassen hatten, dass der andere solche Informationen vertraulich behandeln würde. Aber dieses Thema war doch zu unerfreulich, und sie wollte nicht, dass der Tod in ihrem Gespräch einen so breiten Raum einnahm.
    Sie stand auf, um Kaffee nachzuschenken. Als sie mit der Kanne zurückkam, sagte sie: »Jetzt erzähl mal von dir. Was hat Sankt Victor in letzter Zeit so getrieben?«
    »Bitte nenn mich nicht so.«
    »Du hast den Spitznamen doch immer witzig gefunden.«
    »Jetzt finde ich ihn aber eher bedenklich. Wenn die Presse anfängt, dich einen Heiligen zu nennen, dann kannst du sicher sein, dass sie alle nur auf die erste Gelegenheit warten, dich vom
    Podest zu stoßen.«
    »Mir ist aufgefallen, dass in den Nachrichten ziemlich häufig von dir und One

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