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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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erste Gelegenheit nutzen würde, an ihrer Autorität zu kratzen.
    Sie legte Handschuhe und Überschuhe an, bevor sie eintrat. Im Schein der Taschenlampe tauchten metallisch glänzende Gegenstände auf – ein riesiger Kühlschrank, Arbeitsflächen, ein Gastronomieherd mit Backofen.
    »Das hier war früher mal ein italienisches Restaurant – Mamma Cortina«, sagte Crowe. »Bis dann die Mama das Geschäft aufgegeben und Konkurs angemeldet hat. Das Gebäude wurde vor zwei Jahren für abbruchreif erklärt und die Türen mit Vorhängeschlössern gesichert. Sieht aus, als wäre die Seitentür vor einiger Zeit mal aufgebrochen worden. Die ganze Kücheneinrichtung hier soll versteigert werden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand das Zeug haben will. Es starrt vor Dreck.« Er leuchtete den Gasherd an, auf dem die Fettreste von Jahren schon zu einer schwarzen Kruste angewachsen waren. Ein paar Schaben huschten davon, als der Lichtkegel sie traf. »Hier wimmelt’s nur so von den Viechern. So viel leckeres Fett – mmh!«
    »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Einer unserer Kollegen vom Rauschgiftdezernat. Sie wollten hier in der Nähe einen Dealer hochnehmen. Der Kandidat ist ihnen durch die Lappen gegangen, und sie glaubten, er wäre in dem Durchgang hier verschwunden. Als sie dann hier drin nach ihm gesucht haben, müssen sie ziemlich große Augen gemacht haben.« Er richtete die Lampe auf den Boden. »Hier sind ein paar Schleifspuren im Staub. Sieht aus, als hätte der Täter das Opfer durch diesen Raum geschleppt.« Jetzt schwenkte er den Lichtkegel zum anderen Ende der Küche. »Die Leiche ist da hinten. Wir müssen durch das Lokal gehen.«
    »Haben Sie hier drin schon gefilmt?«
    »Klar. Mussten zwei Akkus ranschleppen, um genug Licht zu haben. Sind beide schon wieder leer, es wird also ein bisschen düster sein da drüben, fürchte ich.«
    Sie folgte ihm zum Ausgang der Küche, wobei sie die Arme dicht am Körper hielt, um nur ja nichts zu berühren was sie auch freiwillig kaum getan hätte. Ringsum hörte sie ein leises Krabbeln und musste an die Scharen von Insekten denken, die über die Wände huschten und über ihr an der Decke hingen. Blut und grausig entstellte Leichen mochten sie vollkommen kalt lassen, aber Aas fressende Insekten erfüllten sie mit Ekel.
    Als sie den Gastraum betraten, schlug ihr ein schaler Geruch entgegen, wie man ihn von Hinterhöfen billiger Restaurants kennt: eine Mischung aus verrottenden Abfällen und abgestandenem Bier. Aber hier kam noch etwas anderes hinzu – ein wohl bekannter Geruch, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Er hatte mit dem Zweck ihres Besuchs hier zu tun, und er erweckte in ihr Neugier und Angst zugleich.
    »Anscheinend haben Penner hier gehaust«, sagte Crowe. Er hatte seine Taschenlampe auf den Boden gerichtet, und sie erblickte eine alte Decke und ein Bündel Zeitungen.
    »Und da drüben sind auch ein paar Kerzen. Können von Glück sagen, dass ihnen die Bude nicht überm Kopf abgebrannt ist, bei all dem Müll, der hier rumfliegt.« Der Lichtstrahl erfasste einen Haufen leerer Konservendosen und Lebensrnittelverpackungen. Und obenauf zwei gelbe Augen, die sie anstarrten – eine Ratte. Sie hatte keine Angst – im Gegenteil, ihr frecher Blick schien zu sagen: Wagt es nur, mir zu nahe zu kommen.
    Ratten und Kakerlaken. Wie viel würden all diese Aasfresser von der Leiche übrig gelassen haben?
    »Hier geht’s lang.« Mit sicheren, geschmeidigen Bewegungen schlängelte Crowe sich zwischen Tischen und gestapelten Stühlen hindurch. »Bleiben Sie auf dieser Seite. Da drüben sind ein paar Abdrücke, die wir gerne sichern würden. Irgendjemand hat Blut von der Leiche an die Sohlen gekriegt und es über den Boden verteilt. Sie gehen bis ungefähr dorthin und hören dann auf.«
    Er führte sie in einen kurzen Flur. Am anderen Ende war ein schwacher Lichtschein zu sehen. Er kam aus der Herrentoilette.
    »Doc Isles ist hier«, rief Crowe.
    Der Lichtstrahl einer weiteren Taschenlampe fiel durch die Türöffnung. Dann kam Crowes Partner Ed Sleeper aus der Toilette heraus und hob eine behandschuhte Hand zu einem müden Gruß, als er Maura erblickte. Sleeper war der älteste Detective in der Mordkommission, und jedes Mal, wenn sie ihn sah, schienen seine Schultern noch ein wenig tiefer herabzuhängen. Sie fragte sich, in welchem Maße die Tatsache, dass er mit einem Partner wie Crowe gestraft war, für seine permanente Niedergeschlagenheit verantwortlich war.

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