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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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diejenige, die dem Ruf der Pflicht folgen musste, und er war es, der allein zurückblieb.
    Sie legte auf. »Es tut mir Leid. Ich muss noch mal weg.«
    »Anruf vom Sensenmann?«
    »Ein Leichenfund in Roxbury. Sie warten schon auf mich.«
    Er folgte ihr auf den Flur und zur Haustür. »Möchtest du, dass ich mitkomme?«
    »Warum?«
    »Um dir Gesellschaft zu leisten.«
    »Glaub mir, an so einem Tatort hat man immer reichlich Gesellschaft.«
    Er warf einen Blick aus dem Fenster auf das dichte Schneetreiben. »In so einer Nacht sollte man besser nicht Auto fahren.«
    »Das gilt auch für dich.« Sie bückte sich, um ihre Stiefel anzuziehen, und war froh, ihm nicht in die Augen sehen zu müssen, als sie sagte: »Du musst bei dem Wetter nicht ins Hotel zurückfahren. Warum bleibst du nicht einfach hier?«
    »Du meinst, ich soll bei dir übernachten?«
    »Wäre vielleicht praktischer für dich. Du kannst dir das Bett im Gästezimmer beziehen. Ich werde wahrscheinlich ein paar Stunden weg sein.«
    Sein Schweigen ließ sie erröten. Sie knöpfte ihren Mantel zu und vermied es immer noch, ihn anzuschauen. Von einem plötzlichen Fluchtinstinkt gepackt, riss sie die Haustür auf.
    Und sie hörte ihn sagen: »Ich bleibe auf, bis du wiederkommst.«
    Blaulicht blitzte durch den Gazevorhang aus Schneeflocken, als sie hinter einem der Streifenwagen anhielt. Ein uniformierter Polizist kam auf sie zu, das Gesicht halb hinter dem hochgeklappten Kragen verborgen. Er sah aus wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer verkriecht. Maura ließ das Fenster herunter und blinzelte, als die Taschenlampe des Streifenbeamten sie blendete. Schneeflocken wehten herein und wirbelten über das Armaturenbrett.
    »Dr. Isles, Rechtsmedizinisches Institut«, sagte sie. »Okay, Sie können gleich hier parken, Ma’am.«
    »Wo ist die Leiche?«
    »Da drin.« Er richtete den Strahl der Taschenlampe auf ein Gebäude auf der anderen Straßenseite. »An der Haustür ist ein Vorhängeschloss – Sie müssen durch den Seiteneingang rein. Der Strom ist abgeschaltet, also passen Sie auf, wo Sie hintreten. Sie werden eine Taschenlampe brauchen – der Durchgang steht voller Kisten und Gerümpel.«
    Sie stieg aus und tauchte in eine Wolke aus wirbelnden weißen Flocken ein. An diesem Abend war sie für das winterliche Wetter bestens gerüstet, und sie registrierte dankbar, dass ihre Füße in den Thinsulate-Stiefeln warm und trocken blieben. Die Straße war mit mindestens fünfzehn Zentimetern Neuschnee bedeckt, doch es waren weiche, zarte Flocken, die keinerlei Widerstand boten, als sie mit ihren Stiefeln hindurchpflügte.
    An der Einmündung des Durchgangs schaltete sie ihre Taschenlampe ein und erblickte einen Streifen Absperrband, der in der Mitte durchhing und dessen gelbe Farbe schon fast gänzlich unter einem weißen Überzug verschwunden war. Sie stieg darüber und trat dabei einen kleinen Schneeschauer los. Der Durchgang war mit mehreren unförmigen, schneebedeckten Haufen verstellt. Sie stieß mit der Stiefelspitze an etwas Hartes und hörte das Klirren von Glas. Offenbar wurde die Gasse als Müllkippe missbraucht, und sie fragte sich, welcher widerliche Unrat sich wohl unter dieser reinen weißen Decke verbarg.
    Sie klopfte an die Tür und rief: »Hallo? Die Gerichtsmedizinerin.«
    Die Tür ging auf, und sie blickte in das grelle Licht einer Taschenlampe. Obwohl sie den Mann, der sie in der Hand hielt, nicht sehen konnte, erkannte sie Detective Darren Crowe gleich an der Stimme.
    »Hallo, Doc. Willkommen im Kakerlakenparadies.«
    »Würde es Ihnen was ausmachen, mit Ihrer Lampe woandershin zu leuchten?«
    Der Lichtstrahl senkte sich, und sie konnte seine Silhouette sehen, breitschultrig und ein wenig bedrohlich. Er war einer der jüngeren Detectives in der Mordkommission, und wann immer sie bei einem Fall mit ihm zu tun hatte, konnte sie das Gefühl nicht loswerden, in die Dreharbeiten für einen Fernsehkrimi geraten zu sein, deren Star Darren Crowe war. Er entsprach aber auch wirklich dem Klischee des Bildschirm-Cops, mit seiner Föhnfrisur und dem entsprechenden großspurigen und arroganten Auftreten. Das Einzige, womit sich eine Frau bei Männern wie Crowe Respekt verschaffen konnte, war eine knallharte professionelle Einstellung, und so gab sie sich auch ihm gegenüber. Die männlichen Mitarbeiter der Gerichtsmedizin mochten mit Crowe ihre Witze reißen, aber nicht sie – sie musste die Distanz wahren, klare Grenzlinien ziehen, weil er sonst die

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