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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Weder Klugheit noch Erfahrung konnten es mit roher jugendlicher Aggressivität aufnehmen, und so hatte Sleeper längst das Kommando seinem lauten und aufdringlichen Partner überlassen.
    »Es ist kein schöner Anblick«, sagte Sleeper. »Wir können bloß froh sein, dass wir nicht Juli haben. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es hier drin riechen würde, wenn es nicht so verdammt kalt wäre.«
    Crowe lachte. »Da ist wohl einer reif für Florida.«
    »Was denkst du denn – ich habe mir da unten schon längst eine hübsche kleine Eigentumswohnung ausgesucht. Nur ein paar hundert Meter bis zum Strand. Ich werde den ganzen Tag nur in der Badehose rumlaufen und es mir so richtig gut gehen lassen.«
    Sonnige Strände, dachte Maura. Feiner, weißer Sand. Wären wir nicht alle viel lieber dort als in diesem schäbigen, engen Flur, in dem nur unsere drei Taschenlampen ein bisschen Licht spenden?
    »Bitte sehr, Doc«, sagte Sleeper. Sie ging auf die Tür zu. Der Strahl ihrer Lampe fiel auf
    schmutzige Bodenfliesen in schwarz-weißem Schachbrettmuster. Blutige Fußspuren zogen sich darüber.
    »Halten Sie sich dicht an der Wand«, sagte Crowe.
    Sie betrat den Raum und fuhr sofort erschrocken zurück, als etwas an ihren Füßen vorüberflitzte. »Mein Gott«, stieß sie hervor und lachte verstört auf.
    »Ja, die Ratten hier sind ganz schön fette Brocken«, meinte Crowe. »Und sie haben sich da drin ordentlich die Bäuche voll geschlagen.«
    Sie sah einen langen Schwanz unter der Tür einer Toilettenkabine verschwinden und musste an die alte Horrorgeschichte von den Ratten denken, die durch die Kanalisation schwammen und plötzlich in Toilettenschüsseln auftauchten.
    Langsam lenkte sie den Lichtstrahl über zwei Waschbecken, an denen die Wasserhähne fehlten, und ein Urinal, dessen Abfluss mit Müll und Zigarettenstummeln verstopft war. Dann ließ sie die Hand sinken und leuchtete die nackte Leiche an, die direkt unter dem Urinal auf der Seite lag. Im grellen Schein der Lampe schimmerten freigelegte Gesichtsknochen zwischen wirren schwarzen Haarsträhnen hervor. Die Aasfresser hatten sich schon an diesem Festmahl aus frischem Fleisch gütlich getan, und der Rumpf war mit Rattenbissen übersät. Aber was Maura am meisten schockierte, waren nicht die Fraßschäden, die die spitzen Nagezähne angerichtet hatten, sondern der auffallend kleine Wuchs des Opfers.
    Ein Kind?
    Maura ging vor der Leiche in die Hocke. Sie lag mit der rechten Wange auf den Fliesen. Als Maura genauer hinsah, erkannte sie voll entwickelte Brüste – also doch kein Kind, sondern eine kleinwüchsige Frau, deren Züge bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Hungrige Aasfresser hatten an der frei liegenden Gesichtshälfte genagt und nicht nur die Haut, sondern auch das Knorpelgewebe der Nase abgefressen. Die verbliebene Haut des Rumpfes war dunkel pigmentiert. Eine Latina? Maura ließ den Lichtstrahl über die mageren Schultern und das Rückgrat mit den deutlich hervortretenden Wirbeln gleiten. Der unbekleidete Rumpf war mit dunklen, beinahe violetten Knötchen übersät. Sie leuchtete die linke Hüfte und das Gesäß an und entdeckte noch weitere Male. Der entzündlich aussehende Ausschlag zog sich weiter über Ober- und Unterschenkel bis hin zum ...
    Sie erstarrte, als der Lichtstrahl auf den Knöchel fiel.
    »Mein Gott!«, stieß sie hervor.
    Der linke Fuß fehlte. Das Bein endete in einem Stumpf; die Verwesung hatte die offene Wunde bereits schwarz verfärbt.
    Sie richtete den Strahl auf den anderen Knöchel und sah wieder nur einen Stumpf. Der rechte Fuß fehlte ebenfalls.
    »Und jetzt sehen Sie sich mal die Hände an«, sagte Crowe, der plötzlich neben ihr stand. Gleichzeitig mit ihr richtete er seine Taschenlampe auf die Arme, die bisher im Schatten des Rumpfes gelegen hatten.
    Anstelle von Händen sah sie wiederum nur zwei Stümpfe, die bereits Bissspuren von Ratten aufwiesen.
    Sie wich geschockt zurück.
    »Ich nehme doch an, dass das nicht allein die Ratten gewesen sein können«, sagte Crowe.
    Sie schluckte. »Nein. Nein, hier handelt es sich um Amputationen.«
    »Glauben Sie, er hat es getan, als sie noch am Leben war?«
    Sie blickte auf die Fliesen herab und konnte nur kleine schwarze Flecken sehen, wo das aus den Stümpfen geflossene Blut getrocknet war. Nicht die weit gestreuten Spritzer, die an eine Maschinengewehrsalve erinnerten. »Es war kein Arteriendruck mehr vorhanden, als diese Schnitte geführt wurden. Die Hände und Füße

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