Todtsteltzers Ehre
mich. Ich kann mich dieser
Programmierung genausowenig erwehren wie des Atems. Ich
habe dich geliebt, aber sie haben mich gezwungen, dich aufzugeben. Ich habe tagelang geweint.«
»Hast du das, SB? Hast du das wirklich getan? Ich habe in
der Verhörzelle auch geweint, aber niemand ist hereingekommen und hat mir die Tränen abgewischt. Seitdem habe ich
nicht mehr geweint. Ich denke nicht, daß ich dazu noch fähig
bin.«
»Wieso bist du gekommen, Julian? Was möchtest du von
mir?«
»Ich möchte, daß alles wieder so wird, wie es früher war, als
wir uns geliebt haben und so glücklich waren und dachten, wir
würden das Leben gemeinsam verbringen.«
»Das wünsche ich mir auch, Julian. Wer immer und was immer ich war, irgend jemand blieb ständig in mir, der dich liebte. Wir können wieder zusammen sein, nachdem du jetzt deine
Liebe unter Beweis gestellt hast. Der Schwarze Block steht
diesmal nicht zwischen uns. Er möchte, daß wir zusammen
sind. Er hat eine große Zukunft für uns geplant. Wir können
heiraten, und du trittst dem Clan Chojiro bei. Wir vergessen,
was früher war, vergessen den Schmerz, und nichts wird uns
jemals trennen. Wir gehören einander für immer. Es ist gar
nicht so schlecht, wenn man dem Schwarzen Block angehört.
Wir können gemeinsam glücklich werden. Dazu ist nicht mehr
nötig als ein letzter Beweis deiner Gefühle. Alles, was du für
den Schwarzen Block und für mich zu tun hast, ist, unseren
Feind Finlay Feldglöck zu töten.«
Julian musterte sie und blickte dann auf die bewußtlose Gestalt, die zwischen ihnen auf dem Boden lag. »Ich hatte immer
befürchtet, daß es dazu kommen würde. Daß ich mich zwischen der Liebe zu dir und der zu meinem Freund entscheiden
muß. Und ich habe mich gefragt, was ich schließlich tun würde, wenn es soweit war. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben,
SB. Du warst meine erste Liebe und meine erste Frau, und
nichts kann das mehr ändern. Ich habe allerdings viel durchgemacht. Ich sehe manches jetzt klarer. Und ich weiß, daß du
alles sagen würdest, was nötig ist, damit ich deinen Wünschen
entspreche. Wahrheit und Lüge sind für dich das gleiche, denn
das einzige, was dir im Leben etwas bedeutet, ist der Schwarze
Block. Du gehörst ihm mit Leib und Seele. Es ist nicht deine
Schuld. Nicht wirklich. Aber du liebst mich nicht. Das hast du
nie. Ich denke nicht, daß dir das überhaupt gegeben ist.«
»Du irrst dich, Julian. Du irrst dich so sehr! An mir ist mehr
als nur die Programmierung.« Tränen schimmerten jetzt in ihren Augen. »Der Schwarze Block hat mein Denken geformt,
aber das Herz gehört immer noch mir. Wir können gemeinsam
glücklich werden, wirklich!«
»Nein. Falls du mich wirklich liebtest, würdest du mich nicht
auffordern, meinen Freund zu töten.«
»Dann tue es nicht«, sagte SB. »Laß ihn leben. Du bist mir
wichtiger als der Tod eines Feindes.«
Sie streckte die Arme nach ihm aus, und er stolperte hinein.
Er drückte SB an sich, legte seinen Kopf auf ihren. Er atmete
den feinen Duft ihres Haares ein, und sie fühlte sich in seinen
Armen so weich und wundervoll an. Und dann zog SB den
langen, dünnen Dolch, den sie im Ärmel versteckt trug, und
stieß ihn fachmännisch zwischen Julians Rippen. Er schrie vor
Schreck und Schmerz auf, und seine Arme schlossen sich um
sie wie ein Schraubstock. SB entspannte sich in seinem sterbenden Griff und lächelte ihm ins Gesicht, das ihrem so nahe
war.
»Verzeih mir, mein Liebling, aber du bist seit jeher zu gefährlich, als daß wir dir gestatten könnten, frei herumzulaufen.
Hättest du dich doch nur an mich gebunden, mir gestattet, dich
an den Schwarzen Block zu binden, dann hätten wir so glücklich werden können! Ich hatte jedoch immer den Verdacht, du
könntest dafür ein zu ehrenhafter Mann sein. Armer Julian!
Wußtest du nicht, daß die Welt, die du zu schaffen mitgeholfen
hast, keinerlei Ehre kennt?«
Julian lächelte sie an, und seine Zähne waren rot von Blut. Er
atmete rauh, und ein feiner Regen aus roten Tröpfchen sprühte
mit jedem Zug hervor und bespritzte SBs Gesicht mit entsetzlichen Flecken. Sie zuckte nicht zusammen. Julian hielt sie nach
wie vor fest umklammert, aber sie wußte, daß die Kraft bald
aus seinen Armen schwinden würde. Julian senkte das Gesicht
zu ihr. Er wollte sicherstellen, daß sie auch hörte, was er zu
sagen hatte.
»Ich wußte … daß du keine Ehre hast, SB. Wach auf, Finlay! «
Er griff mit seiner
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