Todtsteltzers Ehre
ESP nach Finlay, und die Gestalt auf dem
Boden war plötzlich wieder hellwach. Finlay sprang auf und
griff nach dem Schwert, das gar nicht mehr an seiner Seite
hing. Er blickte sich wütend um, sah, daß Julian SB festhielt,
entdeckte dann das Messer in seiner Seite.
»Julian, was …«
»Du bist im Chojiro-Turm«, erklärte ihm Julian unter
Schmerzen. »Verschwinde von hier, Finlay. Ich halte die Türen
mit meiner ESP zu, damit die Wachleute nicht hereinkönnen.
Du mußt ein Fenster nehmen.«
Er spannte die Gedankenkräfte an, und ein Panzerglasfenster
explodierte nach außen. Durch die weite Öffnung wehte der
Wind herein, kalt wie der Tod. Finlay traf Anstalten, auf Julian
zuzugehen.
»Ich lasse dich nicht zurück! Du bist verletzt!«
»Ich sterbe, Finlay! Ich vergebe dir alles. Du warst immer
mein Freund. Jetzt sieh verdammt noch mal zu, daß du von hier
verschwindest! Ich habe eine Bombe im Bauch.«
SB schnappte nach Luft und versuchte sich zu befreien, aber
er hielt sie wie mit Eisenstangen fest. Finlay las in den Zügen
des Sterbenden, daß er die Wahrheit gesagt hatte, und warf sich
aus dem zertrümmerten Fenster. SB trat um sich und strampelte
und schrie um Hilfe. Julian drückte sie an sich und lachte und
weinte, als er das ESP-Signal an die schwarze Kapsel sandte,
die er vorher geschluckt hatte.
Als die Bombe hochging, tötete sie beide augenblicklich und
zerfetzte das komplette oberste Stockwerk des Chojiro-Turms.
Finlay Feldglöck hatte, ehe er hinaussprang, gar nicht gewußt,
daß er sich im obersten Stockwerk des Turms aufgehalten hatte, zweiunddreißig Etagen hoch. Die ersten paar Stockwerke
legte er im Schock zurück, aber dann explodierte die oberste
Etage und rüttelte ihn wach. Alle Fenster flogen gleichzeitig
heraus, und dicker schwarzer Qualm wogte aus den Öffnungen
hervor. Messerscharfe Panzerglassplitter flogen an ihm vorbei
und schnitten ihn an einigen Stellen, während er nach unten
langte und darum kämpfte, den Absatz des rechten Stiefels
zurückzuziehen. Darinnen war die Kletterleine aufgespult, die
er in seiner Zeit als Attentäter während der Rebellion benutzt
hatte. Er hatte schon immer auf das Prinzip gehalten, allzeit
bereit zu sein. Wachtposten nahmen einem vielleicht Schwert
und Pistole ab, aber praktisch nie die Schuhe, es sei denn, man
war tot. Julian wußte über den Absatz Bescheid. Finlay hatte
ihm genug Geschichten davon erzählt. Julian! Julian war tot.
Finlay kniff für einen kurzen Moment die Augen zu und verbannte dann diesen Gedanken. Er würde später trauern, wenn
er Zeit dafür fand. Vorausgesetzt, es gab ein Später.
Er warf den Eisenhaken am Ende der Leine zum Turm hinüber, und er verfing sich an einem Ziervorsprung. Finlay wikkelte sich das andere Ende um die Hände und bereitete sich
vor. Mit einem Ruck spannte sich das Seil, zerrte an seinen
Armen und biß so tief ins Fleisch, daß es blutete. Finlay
knirschte mit den Zähnen und ließ sich vom Impuls an die
Wand hinüberschwingen. Einen Augenblick später klammerte
er sich an die Wand wie an einen alten Freund, beugte nacheinander die schmerzenden Hände und versuchte, wieder zu Atem
zu kommen. Einbrechen konnte er nicht in den Turm, also
mußte er den restlichen Weg hinunterklettern. Er blickte vorsichtig nach unten und zählte einundzwanzig Stockwerke. Er
schüttelte langsam den Kopf. Er wurde allmählich zu alt für
diesen Mist.
Er brauchte über eine Stunde, um den Boden zu erreichen,
denn er kletterte vorsichtig und vermied es, die Wachleute des
Turms auf sich aufmerksam zu machen. Zum Glück hatte die
Explosion die Außensensoren des Gebäudes zerstört, und die
Wachleute waren alle im Inneren, um bei der Brandbekämpfung auf den Ruinen der obersten Etage zu helfen. Finlay legte
die letzten paar Fuß im Sprung zurück und landete heftig. Der
feste Boden unter den Füßen fühlte sich gut an. Er blickte hinauf, verfolgte den Weg zurück, den er zurückgelegt hatte. Die
Turmspitze war von Rauch und Flammen umhüllt. Julians Feuerbestattung. Finlay wußte immer noch nicht recht, was passiert war, aber er konnte es sich denken. Er hatte schon immer
gewußt, daß SB Chojiro seinem Freund einmal den Tod bringen würde.
Finlay seufzte und entschied, daß es allmählich Zeit wurde,
Gregor Shreck zu töten. Dann konnte er es genausogut auch
jetzt tun. Alles, was ihm etwas bedeutete, war ihm geraubt
worden. Sein engster Freund Julian. Jede Hoffnung auf eine
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