Todtstelzers Krieg
Kleidung trug.
Unmittelbar vor Tobias stand Julian Skye und starrte mit
ausdruckslosen Augen auf den Hauptschirm. Tobias wußte
nicht so recht, was er von dem jungen Esper halten sollte. Einst
war er offensichtlich ein hübscher Mann gewesen, bevor sich
die Imperialen Verhörspezialisten an ihm zu schaffen gemacht
hatten. Sie hatten viel Schaden angerichtet, sowohl an Skyes
Körper, als auch an seiner Seele, bevor Finlay Feldglöck ihn
hatte befreien können. Das meiste war inzwischen verheilt,
doch die gebrochenen Knochen in Skyes Gesicht waren schief
und krumm zusammengewachsen, und ein Teil der Gesichtsmuskulatur war durch Nervenschädigungen gelähmt. Skye trug
eine ziemlich auffällige Perücke. Sie verdeckte die Stahlplatte
über dem Loch, welches die Hirntechs in die Rückseite seines
Schädels gebohrt hatten, um direkt an das Gehirn heranzukommen.
Vor seiner Gefangennahme hatte Skye im Untergrund den
Ruf genossen, einer der wildesten und tollkühnsten Agenten im
Feld zu sein. Doch die Zeit in den Verhörzellen hatte seinen
Mut gebrochen, und obwohl es nicht dazu gekommen war, daß
er im Staub gekrochen und alles und jeden verraten hatte, so
wurde er doch von der Gewißheit verfolgt, daß es lediglich
eine Frage der Zeit gewesen wäre. Finlay hatte ihn gerade noch
rechtzeitig gerettet, und Julian hatte sich seither an ihn geklammert. Er fühlte sich nur sicher, wenn Finlay in der Nähe
war. Finlay – das mußte man ihm zugute halten – hatte sich
seinerseits bemüht, Julians Mut und Selbstvertrauen wieder
aufzubauen, wo immer es ging, und den Jungen nicht von sich
abhängig zu machen; doch die Wunden waren tief, und Julian
fand ständig neue Ausreden und Entschuldigungen, um in Finlays Nähe bleiben zu können. Er hatte sich sogar freiwillig zu
dieser Mission gemeldet, ja gedrängt, obwohl alle davon überzeugt waren, daß es ein Selbstmordkommando war.
Niemand wußte so genau, was Evangeline Shreck davon
hielt. Tobias behielt alle drei im Auge, nur für den Fall. Da
bahnte sich eine Geschichte an, und die wollte er auf keinen
Fall versäumen.
Tobias behielt auch den legendären Ersten Todtsteltzer Giles
unauffällig im Auge. Der erste und größte seiner Linie, der
erste Oberste Krieger des Imperiums, doch das war neunhundert Jahre her. Der Mann, der den Dunkelzonen-Projektor eingesetzt und tausend Sonnen in einem einzigen Augenblick zum
Verlöschen gebracht hatte, und der die Bewohner unzähliger
Welten in der sternenlosen Nacht und Kälte hatte sterben lassen. Milliarden waren in Verzweiflung und Not gestorben, und
ein einziger Mann trug die Verantwortung dafür. Giles war
groß, aber nicht breit gebaut, obwohl sich an seinen Armen
kräftige Muskeln wölbten. Er steckte in abgewetzten Fellen
und Lederkleidung, die ihn wie ein Barbar aussehen ließen.
Das lange graue Haar war nach Söldnerart zu einem Zopf geflochten. Der Erste Todtsteltzer sah aus wie ein Mann Mitte
Fünfzig, und er hatte ein hartes, entschlossenes Gesicht mit
einem schmalen Strich von Mund über dem silbernen Kinnbart.
Seine Augen waren von überraschend hellem Grau, und ihr
Blick war fest und selbstbewußt. Der Erste Todtsteltzer sah
ganz wie ein Mann aus, der keine Kompromisse einging: eine
Erscheinung aus der Vergangenheit, als das Imperium noch ein
stolzes und ehrenwertes Unterfangen gewesen war, dem stolze
und ehrenhafte Männer gedient hatten. Giles Todtsteltzer, der
größte Held und zugleich der größte Verräter seiner Epoche,
der damals wie heute vor nichts zurückwich, das seinen Sinn
für Gerechtigkeit und Ehre kompromittierte.
Jedenfalls wurde das von ihm behauptet.
Tobias wußte nur eins mit Sicherheit: Der Mann sah aus wie
der Tod auf zwei Beinen, wie er dort saß, so gelassen und ruhig, als wäre er auf dem Weg in den wohlverdienten Urlaub.
Giles Todtsteltzer jagte Tobias eine Heidenangst ein, und Tobias war es egal, ob die anderen es merkten oder nicht. Tobias
sah auf den Schirm. Der mysteriöse Planet kam ständig näher,
und selbst die Vorstellung von dem, was sie auf Shannons Welt
erwartete, wirkte auf Tobias weniger beunruhigend als der Anblick des Ersten Todtsteltzers.
»Ihr alle wißt mehr über Shannons Welt als ich«, sagte er
leichthin, als hätte er nie in seiner Rede innegehalten. »Wenn
man den Gerüchten Glauben schenken darf, dann soll es dort
unten sehr erholsam gewesen sein. Keine Sorgen, kein Streß …
fast therapeutisch . Ein Ort, wo man all seine
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