Todtstelzers Krieg
angebetete und bewunderte, saß auf
ihrem Eisernen Thron, als wolle sie sich jeden Augenblick auf
einen unglückseligen Feind stürzen, um ihn zu zerreißen und
zu zerfetzen. Sie trug eine glänzend weiße Kampfrüstung, und
zusammen mit ihrem bleichen Gesicht und dem langen blonden
Haar sah sie aus wie ein rachedurstiger Familiengeist. Normalerweise trug sie das lange Haar zu Gelegenheiten, wo sie bei
Hofe erschien, kunstvoll auf dem Kopf aufgetürmt; doch jetzt
hing es schlaff in ungepflegten Strähnen herab, durch die ihre
eisig blauen Augen unverwandt auf ihre Untertanen starrten.
Auf dem Kopf trug sie die große Dornenkrone, die aus einem
einzigen riesigen Diamanten geschliffen worden war – das
Symbol der Macht und Herrschaft über das Imperium.
An der Basis ihres Throns kauerten ihre Jungfrauen wachsam
wie Hunde, und nichts anderes waren sie auch. Nackt und ohne
Schamgefühl wie Tiere, mit ausgelöschtem Bewußtsein nach
einem chirurgischen Eingriff, der sie zu loyalen Kreaturen bis
hin zum Tod gemacht hatte, kauerten sie vor dem Thron und
beobachteten die Anwesenden mit ihren kybernetischen Sinnen, allzeit bereit, jeden Angriff gegen ihre geliebte Herrscherin zu vereiteln. Sie würden töten oder sterben bei dem Versuch, ihre Herrin zu schützen, und ihre Wildheit war Legende.
Ihre Zähne waren spitz, und ihre Finger endeten in implantierten stählernen Klauen. In ihre nackten Körper waren weitere,
häßlichere Überraschungen eingebaut – die besten, die für Geld
käuflich waren. Einst waren sie Menschen gewesen wie jeder
andere auch; doch das war, bevor die Löwenstein sie auserwählt und aus ihrem alten Leben gerissen hatte, um ein Teil des
ihren zu werden. Sie mochten Gewöhnliche oder Aristokratinnen gewesen sein; unter Löwensteins Willen wurden sie alle
gleichgemacht. Niemand widersprach. Niemand wagte zu widersprechen. Außerdem galt es als hohe Ehre, der Eisernen
Hexe als eine ihrer Jungfrauen zu dienen.
In der Luft vor dem Thron schwebten Dutzende von Schirmen, die ununterbrochen Bilder aus dem gesamten Imperium
zeigten. Die Szenen wechselten häufig. Ständig kamen neue
Meldungen über den wachsenden Erfolg der Rebellen herein.
Moderatoren mit schwitzenden Gesichtern lasen beinahe verzeihungheischend die Neuigkeiten vor. Karten zeigten den
Vormarsch der Rebellen und die Verluste der Imperialen. Zitternde Kameras zeigten Bilder von Blut und Gewalt und vom
Toben der Schlacht. Sie sahen alle gleich aus. Zunehmend
verwirrte Kommentatoren redeten endlos über die Bedeutung
der Ereignisse . Auf einigen Welten hatten die Rebellen die
Kommunikationseinrichtungen unter ihre Kontrolle gebracht,
und triumphierende rauchgeschwärzte Gesichter riefen die Geknechteten dazu auf, sich zu erheben und die Eiserne Hexe von
ihrem Thron zu stoßen. Neue Schirme erwachten zum Leben
und andere wurden dunkel, weil der Untergrund und die mit
ihm verbündeten Kyberratten sich an den Kommunikationskanälen zu schaffen machten. Das gesamte Imperium schrie
mit sich überschlagender Stimme, und jeder wollte sich verzweifelt Gehör verschaffen. Die Imperatorin beobachtete all
das reglos, und ihr starrer Blick war so kalt wie der Tod persönlich. Für diejenigen, die glaubten, sie zu kennen, war dieser
Blick und ihre gelassene Ruhe besorgniserregender als die gebrüllten Befehle und Temperamentsausbrüche kurze Zeit zuvor. Es bedeutete, daß die Eiserne Hexe nachdachte. Daß sie
Pläne schmiedete. Daß sie sich schon jetzt an ihrer Rache und
den schrecklichen Formen ergötzte, die sie zweifellos annehmen würde.
Vor dem Eisernen Thron standen schweigend und in hoffentlich ausreichend sicherer Entfernung zwei der wenigen Menschen, die mit Ausnahme der Imperialen Wachen und Löwensteins Opfern noch Zutritt zum Imperialen Hof hatten: General
Shaw Beckett und der Oberste Krieger des Imperiums, der Hohe Lord Dram. Höflinge waren nicht anwesend. Keine Lords
und Ladys, keine Vertreter der Großen Familien, keine Abgeordneten des Parlaments, niemand von der Einen Wahren Kirche von Christus dem Krieger, keine der üblichen Berühmtheiten und Gestalten und Vorteilssuchenden. Löwenstein vertraute
ihnen nicht mehr. Keinem von ihnen. Und so standen Beckett
und Dram nebeneinander und ignorierten sich gegenseitig, so
gut es ging. Sie waren beide Männer des Krieges und Kämpfer;
doch außer ihrer Loyalität gegenüber der Löwenstein hatten sie
nichts gemeinsam.
Die große, imposante
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