Todtstelzers Krieg
Unter anderem hatte Abraxus ihm verraten, wie er sterben würde.
Ich sehe dich, Owen Todtsteltzer. Das Schicksal hält dich in
seinen Fängen, sosehr du dich auch dagegen sträubst. Du wirst
ein gewaltiges Imperium zu Fall bringen, und du wirst das Ende von allem erleben, an das du je geglaubt hast. Du wirst alles
aus Liebe tun, aus einer Liebe, die du nie erfahren wirst. Und
wenn es vorüber ist, dann wirst du sterben allein, weit weg von
allen Freunden und ohne Beistand oder Hilfe.
Owen erschauerte. Seine Nackenhaare richteten sich auf, als
er sich an die Worte erinnerte. Selbst die besten Präkos irrten
sich mindestens genauso häufig, wie sie recht behielten; andernfalls hätten sie das Imperium schon längst unter ihrer Kontrolle – aber auch so empfand Owen die Prophezeiung als beunruhigend. Keine Hinweise, keine rätselhaften Andeutungen,
keine versteckten Botschaften – nichts außer einer unverblümten Schilderung seiner Zukunft und seines Todes. Er wußte,
daß er trotzdem weitermachen und genau das tun würde, was er
für richtig hielt – zur Hölle mit den Konsequenzen –, doch er mußte noch einmal mit Abraxus sprechen. Seit seinem letzten
Besucht der Nebelwelt war eine Menge geschehen, und Owen
hatte das Labyrinth des Wahnsinns überwunden. Das mußte die
Dinge ändern. Es mußte einfach.
In vielerlei Hinsicht war er heute ein ganz anderer Mensch
als früher.
»Zur Hölle«, knurrte er. »Jeder weiß, daß man Präkos nicht
trauen kann.«
»Und wem willst du dann trauen?« flüsterte Ozymandius in
seinem Ohr.
»Ich wünschte, du würdest nicht immer mit mir reden. Du
weißt verdammt noch mal sehr genau, daß du tot bist.«
»Dann bin ich also nur ein Spuk? Beantworte doch meine
Frage, Owen. Wem willst du heutzutage noch vertrauen? Hazel
hat dich rausgeworfen, weil sie mit Silver allein sein wollte.
Jung Jakob Ohnesorg ist vielleicht nicht der, für den er sich
ausgibt, und Johana Wahn lebt in einer anderen Realität als der
Rest von uns. Ich frage dich also: Wem willst du vertrauen?«
»Jedenfalls nicht dir. Ich vertraue dem echten Jakob Ohnesorg, daß er das tut, was für die Rebellion das beste ist. Ich
vertraue Ruby Reise, daß sie ihm bis zum letzten Rückendekkung gibt, solange am Ende nur reichlich Beute auf sie wartet.
Ich vertraue Giles Todtsteltzer, daß er den Namen der Familie
hochhält. Und ich vertraue alles in allem auch Hazel, daß sie
am Ende das Richtige tut.«
»Und Silver?«
»Hazel geht ihren eigenen Weg. Das habe ich immer gewußt.«
»Überzeugend klingt das immer noch nicht«, erwiderte
Ozymandius. »Jakob Ohnesorg ist hauptsächlich dafür bekannt,
daß ihm auf jedem Planeten, wo er sich sehen läßt, früher oder
später in den Hintern getreten wird. Ruby Reise ist eine ehemaligen Kopfgeldjägerin, der man schon aus Prinzip nicht vertrauen kann, und Giles’ Motive und Ansichten sind seit neunhundert Jahren überholt. Du hast noch nie besonderes Talent
gezeigt, wenn es um die Wahl deiner Freunde ging, Owen. Hazel hat irgend etwas vor. Das weißt du tief im Innern ganz genau.«
»Hazel hat immer irgend etwas vor. Für eine tote KI bist du
ganz schön zynisch . Du hast meine Freunde noch nie gutgeheißen, auch nicht, als du noch gelebt hast . Ich vertraue meinen
Mitstreitern, weil mir keine andere Wahl bleibt. Meine einzige
Hoffnung zu überleben besteht darin, die Löwenstein von ihrem Eisernen Thron zu stoßen. Um das zu verwirklichen, brauche ich eine Rebellion, und für eine Rebellion brauche ich
Verbündete.«
»Ist das der einzige Grund, warum du um Veränderungen
kämpfst?«
»Nein. Ich habe zuviel alltägliche Bosheit und zuviel Leid
gesehen, und das gesamte Imperium fußt darauf. Ich kann den
Blick nicht mehr abwenden. Die Dinge müssen sich ändern,
selbst wenn ich mit dem Leben dafür bezahle.«
»Du meinst mit dem Tod. Was soll deiner Meinung nach
dem Imperium folgen? Was kennst du schon anderes als die
Privilegien der Aristokratie und die Herrschaft der Familien?«
»Frag mich nicht«, entgegnete Owen. »Zuerst einmal müssen
wir den verdammten Krieg gewinnen. Wenn wir erst vor der
Löwenstein und ihrer Rache in Sicherheit sind, können wir
immer noch über das streiten, was auf das Imperium folgen
soll. Und schlimmer als das, was jetzt herrscht, kann es gar
nicht werden.«
»Berühmte letzte Worte«, spottete Ozymandius. »Du bist Historiker, Owen. Du weißt selbst am besten, was nach Rebellionen geschieht. Die
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