Todtstelzers Schicksal
und schicke ihr ein Holo.«
»Du bist vielleicht der Richtige, mir sowas zu sagen!«
»Du solltest aus meinen Fehlern lernen, Junge. Dazu sind
Väter da.«
Eine Zeit lang ritten sie schweigend dahin und bewegten sich
mühelos im Rhythmus der Pferde unter ihnen.
»Ich hatte nie geplant, auf Unseeli zu sterben, weißt du«, sagte Ricard leise. »Ich hatte immer vor, zu deiner Mutter und dir
zurückzukehren. Denke ja nicht, ich hätte euch im Stich lassen
wollen!«
»Das habe ich nie geglaubt!«
»Wirklich? Niemals?«
»Vielleicht manchmal. Als ich noch klein war, habe ich mich
gefragt, ob ich etwas falsch gemacht hätte und du deswegen
nicht mehr nach Hause gekommen wärst. Ich bin jedoch darüber hinweggekommen.«
»Wirklich? Weshalb dienst du dann in der Flotte und versuchst, mein Leben nachzuvollziehen? Ich habe nie von dir
erwartet, dich zu melden. Ich habe von dir erwartet, dein eigenes Leben zu führen. Nicht nur, mich zu kopieren.«
»Ich …« Tränen brannten in Micahs Augen, und seine Stimme schwankte. »Ich wollte doch nur, dass du stolz auf mich
bist, Vati.«
»Natürlich bin ich stolz auf dich«, sagte Ricard. »Du bist
mein Sohn.«
Sie ritten weiter über die wandernden Sandflächen, und eine
Zeit lang empfanden sie kein Bedürfnis mehr, etwas zu sagen.
Carrion stand mitten in den Metallwäldern von Unseeli . In der
Zeit, ehe Shub die Bäume abgeerntet hatte. Ehe das Imperium
gekommen war und die Ashrai ausgerottet hatte. Die riesigen
Metallbäume ragten hoch in den Himmel, und die Äste ragten
als nadelscharfe Dornen von mehreren Metern Länge aus den
völlig glatten Stämmen. Golden und silbern und messingfarben, violett und azurblau standen die Bäume da, fest und unnachgiebig inmitten der unaufhörlichen Stürme des Planeten.
Und überall zwischen den Metallbäumen bewegten sich die
Ashrai, lebendig und prachtvoll, und erfüllten den Wald mit
ihrem Gesang. Sie stiegen wie altvordere Drachen zum Himmel hinauf, riesig und stark, und unter ihnen lächelte Carrion in
einem fort, die Augen nass von unvergessenen Tränen, denn er
war heimgekehrt und wieder mit sich im Frieden.
Kapitän Schwejksam sah sich um und betrachtete den grünen
und friedlichen Wald, in herbstliches Licht gebadet. »Das ist
nicht real. Nichts davon ist real. Virimonde liegt lichtjahreweit
von hier entfernt. Es sieht jedoch genauso aus, wie ich es in
Erinnerung habe.«
»Natürlich tut es das«, sagte Frost. »Marlowe hat das Bild
deinen Gedanken entnommen und seine Nanos angewiesen,
alles so für dich zu erschaffen. Genauso, wie er mich hervorgebracht hat.«
Schwejksam griff mit den Gedanken hinaus, wollte die alte
mentale Verbindung wieder herstellen, die er und Frost früher
miteinander geteilt hatten, aber es war, als blickte er in einen
Spiegel und sähe dort nur das eigene Gesicht.
»Tut mir leid«, sagte Frost. »Auch ich bin nicht real. Nur eine Erinnerung, der Nanotech und die Macht eines Verrückten
Gestalt verliehen haben. Ich bin gerade real genug, um nicht zu
wünschen, dass mich jemand als Waffe gegen dich einsetzt.
Komm schon, Kapitän; du wolltest doch nur richtig Abschied
nehmen, und das haben wir getan. Es wird Zeit, dass du mich
freigibst und dich wieder mit Marlowe auseinander setzt. Er
hält sich vielleicht für den Sohn Gottes, aber seine Möglichkeiten sind im Grunde sehr beschränkt.«
»Ich hätte dir gern … noch so vieles gesagt«, bemerkte
Schwejksam.
»Dann hättest du es sagen sollen, solange ich noch am Leben
war«, sagte Frost. »Wahrscheinlich wusste ich es aber ohnehin.
Lebwohl, Johan.«
Sie ging in den Wald davon, und Schwejksam blieb stehen
und blickte ihr nach, wobei er sich im Klaren war, dass er sie
nie wiedersehen würde. Als sie vollständig außer Sicht war,
holte er tief Luft und ließ sie wieder hervor. Dann betrachtete
er finster die Bäume der Umgebung.
»Ich glaube nicht an euch«, sagte er entschieden. »Nichts
hiervon ist real. Ich leugne euch. Verdammt, Marlowe, hört auf
damit! Verdammt sei Eure Seele, hört sofort damit auf!«
Etwas rührte sich in ihm, als seine eigene Macht widerstrebend erwachte, sich ausstreckte und in seltsame Richtungen
entfaltete. Und einer nach dem anderen zerbröckelten die Bäume und wurden zu Staub und weniger als Staub.
Micah Barron zügelte sein Pferd und stieg ab. Ein leichter
Wind wehte, und Schleier aus rotem Sand tanzten hierhin und
dorthin. Ricard stieg ebenfalls ab, und die beiden jungen Männer standen
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